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Die Versönlichkeit Jesu.
1. Die heidnischen auellen.
Wie immer man sich zum Christentum stellen mag, auf
jeden Fall muß man es als eine der gigantischsten Er-
scheinungen der uns bekannten Menschheitsgeschichte an-
erkennen. Man kann sich nicht eines Gefühls hoher Be-
wunderung erwehren, wenn man die christliche Kirche be-
trachtet, die fast zwei Jahrtausende alt ist und noch immer
voll Lebenskraft vor uns dasteht, in manchen Ländern stärker
als die Staatsgewalt. So wird alles, was dazu beiträgt,
diese kolossale Erscheinung zu begreifen, also auch das Stu-
dium des Ursprungs dieser Organisation, trozdem es uns
um Jahrtausende zurückführt, zu einer höchst aktuellen An-
gelegenheit mit großer praktischer Bedeutung.
Das sichert den Untersuchungen der Anfänge des Christen-
tums ein weit größeres Interesse als jeder anderen historischen
Untersuchung, die über die letzten zwei Jahrhunderte zurück-
geht, das macht aber auch die Erforschung dieser Anfänge
noch schwieriger, als sie ohnehin wäre.
Die christliche Kirche ist zu einer Herrschaftsorganisation
geworden, die entweder den Bedürsnissen ihrer eigenen Macht-
haber dient oder denen anderer, staatlicher Machthaber, die
sich ihrer zu bemächtigen verstanden haben. Wer diese Macht-
haber bekämpft, muß auch die Kirche bekämpfen. So hat
sich der Kampf um die Kirche wie der gegen die Kirche zu
einer Parteisache gestaltet, mit der die wichtigsten öko-
nomischen Interessen verknüpft sind. Das ist nur zu
sehr geeignet, die Unbefangenheit der historischen Forschung
über die Kirche zu trüben, es hat auch lange genug dazu
NKautsky, Der Ursprung des Christentums. 1