Full text: Theoretische Sozialökonomie

8 39. Der Arbeitslohn in der sozialistischen Gesellschaft. 329 
einer Unabhängigkeit der Arbeitsleistung vom Arbeitslohn liegt, ist 
offenbar. Mit dieser Voraussetzung tritt aber die Knappheit der Arbeit 
als der erste Bestimmungsgrund des Arbeitslohns hervor, während die 
Auffassung des Arbeitslohns als notwendige Entschädigung für eine 
Leistung vollständig in den Hintergrund gedrängt wird. 
Es soll hier zuletzt die Bemerkung hinzugefügt werden, daß, ob- 
wohl der Arbeitslohn selbst auf die Arbeitsleistung nur eine sehr be- 
schränkte Wirkung ausübt, die Form, unter welcher der Lohn bezahlt 
wird, doch einen unmittelbaren und starken Einfluß auf die Arbeits- 
leistung auszuüben vermag. Diejenigen Lohnformen, die nicht nur die 
Arbeitszeit oder die Arbeitsleistung, sondern auch die Arbeitsleistung 
pro Zeiteinheit einen Einfluß auf den Lohn gewinnen lassen, haben un- 
zweifelhaft eine starke Wirkung auf die Arbeitsintensität (zuweilen viel- 
leicht eine zu starke, ein gesundes Wirtschaften mit der Arbeitskraft be- 
drohende Wirkung). Die Lohnformen haben deshalb einen nicht un- 
wichtigen Platz unter den Faktoren, die das Angebot von Arbeit be- 
stimmen, und die die Preisbildungstheorie also als gegebene Momente 
aufzufassen hat. 
$ 39. Der Arbeitslohn in der sozialistischen 
Gesellschaft. 
Die sozialistischen Anschauungen über das Problem des Arbeits- 
lohns sind zwar nicht zu einem völlig einheitlichen und allgemein an- 
erkannten logischen System ausgebildet. Doch ist es nicht schwierig, 
eine Vorstellung von dem, was in diesen Anschauungen den innersten 
Kern bildet, zu gewinnen. Der wesentliche Fehler der bestehenden Ge- 
sellschaftsordnung in spezieller Hinsicht auf die Arbeiterfrage liegt nach 
sozialistischer Auffassung, wie schon oben ($ 32) näher ausgeführt, 
darin, daß sowohl Lohn wie Beschäftigung des Arbeiters von der Markt- 
lage abhängen, nach geschäftlichen Gründen bestimmt werden. Durch 
dieses System wird die Arbeit zu einer gewöhnlichen Handelsware 
herabgesetzt, was weder mit der Würde des Arbeiters als Mensch noch 
mit seinem Recht als Mitglied der produzierenden Gesellschaft verein- 
bar sei. Der Sozialismus verwirft eine solche Gesellschaftsordnung und 
fordert neben einer vollständigen Beschäftigung der Arbeiter, also Be- 
seitigung der Arbeitslosigkeit, speziell auch eine Bestimmung des 
Arbeitslohns nach objektiven Gründen. Bei Fixierung des Lohns kann 
wohl Rücksicht genommen werden auf die Tauglichkeit des Arbeiters, 
auf die Länge der für seine Ausbildung erforderlichen Zeit, auf die 
Schwierigkeit oder Unannehmlichkeit der Arbeit usw., aber jedenfalls 
nur auf objektive, in der Natur der Arbeit begründete Momente, grund- 
sätzlich nicht auf die Marktlage, auf die Zahl der konkurrierenden
	        
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