s_-. Kap. VIII. Der Arbeitslohn.
Ob. aber die sozialistische Gesellschaft diese höhere Effektivität wirk-
lich zu realisieren vermöchte, ist eine sehr zweifelhafte Frage, von
deren Beantwortung eben die Aussichten des sozialistischen Programms
wesentlich abhängen.
Nun muß aber die sozialistische Gesellschaft anderseits, ähnlich
wie unsere bestehende Tauschwirtschaft, eine Reihe rein kollektiver
Bedürfnisse befriedigen. Außerdem muß sie Ausgaben für Erziehung,
Kunst usw. bestreiten, welche jetzt aus den größeren Privateinkommen
bestritten werden. Wenn die sozialistische Gesellschaft, nach Deckung
der Kosten hierfür, Geld übrig hat, bedeutet dies nur, daß die Preise
der fertigen Güter im allgemeinen etwas reduziert werden können.
Das muß dann auch geschehen, da doch die Aufgabe der ganzen Preis-
bildung nur in der nötigen Begrenzung der Konsumtion liegt. Eine
solche Reduktion ist offenbar gleichbedeutend mit einer Distribution
eines Renteneinkommens der sozialistischen Gesellschaft nach .den
Prinzipien einer Konsumtionsgenossenschaft. Die Erhebung höherer
Preise als notwendig ist gleichbedeutend mit einer Besteuerung, aber
eine Besteuerung der höheren Arbeitseinkommen zugunsten einer
Verbesserung der niedrigeren ist immer noch ein Verstoß gegen das
Programm des Rechts auf den vollen Arbeitsertrag.
Übrigens muß auch in der sozialistischen Gesellschaft jeder Ver-
such, die niedrigen Arbeitseinkommen mit irgendwelchen Zuschüssen
zu ergänzen, notwendig dazu führen, daß es den niedriggestellten
Arbeitern in einer minderwertigen Beschäftigung zu bleiben erleichtert
wird, wodurch die Marktlage unumgänglich noch weiter verschlechtert
und also. auch der Arbeitslohn noch weiter herabgedrückt werden muß.
Das Ergebnis muß hier dasselbe werden, wie es aller Erfahrung nach
immer wird, wenn man einen niedrigen Arbeitslohn mit öffentlichen
Beiträgen zu ergänzen sucht. Die sozialistische Gesellschaft würde also
erfahren, daß wirkliche soziale Fortschritte nicht durch Überführung
von Arbeitseinkommen von der einen zur anderen Gruppe. der Gesell-
schaft, sondern lediglich durch solche Maßnahmen, welche den Wert
einer minderwertigen Arbeit erhöhen, erzielt werden können.
Dieses Ergebnis könnte auch mit Vorteil als Leitstern für alle
rationelle Sozialpolitik unserer bestehenden Gesellschaft dienen.
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