12 5. Börsengeseß vom 22. Juni 1896, 8./27. Mai 1908.
in neuer Fassung bekanntgemacht. Durch die Geseße über die Abänderung des Börsengef.
v. 23. Dez. 20 (RGBl. S. 2317) und v. 28. Dez. 21 (RGBl. 1922 I S. 25) wurden die
§§ 96 bzw. 7 geändert. Durch die Verordnung zur Überleitung des Börsenges. in das neue
Währungsverhältnis v. 21. März 25 (RGB. Teil I S. 31) wurde g 50 geändert. Hier ist das
Gesetz it der neuen Fassung v. 27. Mai 08 wiedergegeben. Die späteren Änderungen Jsind
berücksichtigt.
3. Anlaß und Zweck.
Die gefährlichen Begleiterscheinungen der Spekulation, insbesondere des im Gewande
der Termingeschäfte ohne wirtschaftliche Grundlage betriebenen Börsenspiels, und die infolge
unsolider Börsenspekulationen bei Krisen weite Kreise treffenden Verluste lösten in Deutschland
starke, zum Teil von parteipolitischen Bestrebungen genährte Strömungen aus, die sich gegen
die Börse richteten. Es entstand in weiten Kreisen das Verlangen, den Auswüchsen des börsen-
mäßigen Geschäftsverkehrs auf gesetlichen Wegen entgegenzutreten und das Publikum zu schützen.
Zugleich verband sich damit der Wunsch, die im Börsenbetriebe selbst hervorgetretenen Mängel
durch eine gesetzllich geschaffene Organisation zu beseitigen. Es wurden deshalb im Februar
1892 die sog. Börsen-Enquete-Kommission berufen. Diese untersuchte in fast zweijähriger Arbeit
die Gebiete, auf denen sich eine Börsenreform für erforderlich gezeigt hatte, grenzte diese Gebiete
ab und machte die zur Herbeiführung ihrer geseßlichen Ordnung geeigneten Vorschläge. Auf
der Arbeit der Börsenenquete-Kommission und ihren Vorschlägen sowie der an ihnen geübten
öffentlichen Kritik baute sich der Entwurf eines Börsengesetßes auf, der im Dezember 1805 dem
séichstas vorgelegt wurde. Aus ihm entstand mit mannigfachen Änderungen das Gesetz vom
. Unt JV.
Nachdem dieses Gesetß zehn Jahre in Geltung war, schien es am Plate, eine endgültige
und klare Regelung des börsenmäßigen Zeitgeschäfts herbeizuführen auf Grund der Erkenntnis
der ~— vielfach der Volkswirtschaft (– Registereinwand !) nachteiligen + wirtschaftlichen (in-
folge der Überspannungen der Schutßbestimmungen die Stellung Deutschlands auch auf dem
internationalen Markt schädigenden) Wirkungen, die das Börsengeseß gehabt hatte. Zugleich
aber empfahl es sich, die vielfachen Zweifel, zu denen die Fassung des Gesetes Anlaß gegeben
hatte, zu beseitigen und die billigenswerten Ergebnisse der Rechtsprechung durch gesetliche Nieder-
legung zu sichern. Nach zwei vorausgegangenen, vom Reichstag nicht verabschiedeten Entwürfen
aus Februar 1904 und November 1906 legte die Regierung im November 1907 den Entwurf
eines Gesetßes betreffend Änderung des Börsengeseßes vor, aus dem das Börsengeseß vom
8. Mai 1908 entstand. Anlaß und Zweck der späteren, geringfügigen Geseßesänderungen werden
bei den davon berührten Paragravhen (7, 50, 67, 96) erörtert werden.
Il. Allgemeine Bestimmungen über die Börsen und
deren Organe.
§ 1. Die Errichtung einer Börse bedarf der Genehmigung der Landesregierung.
Diese ist befugt, die Aufhebung bestehender Börsen anzuordnen.
Die Landesregierungen üben die Aufsicht über die Börssen aus. Sie können die
unmittelbare Aufsicht den Handelsuvraanen (Handelskammern, kaufmännischen Korpora-
tionen) übertragen.
Der Aufsicht der Landesregierungen und der mit der unmittelbaren Aufsicht be-
trauten Handelsorgane unterliegen auch die auf den Böürsenverkehr bezüglichen Ein-
richtungen der Kündigungsbureaus, Liauidationskassen, Liquidationsvereine und ähnlicher
Anstalten.
1. Der Begriff „Börse“' ist im Gesetz nicht ausdrücklich bestimmt. Er ist in seiner volks-
wirtschaftlichen Bedeutung und in seiner rechtlichen Natur bestritten, insbesondere sind auch
über die unterscheidungsmerkmale zwischen „Börse“ und „Markt“ die Ansichten geteilt. Das
Preußische Oberverwaltungsgericht hat & im Gegensat zu der vorausgegangenen Entscheidung
des Bezirksausschusses, der den Zusammenkünsten des Vereins der Berliner Getreide- und
Produktenhändler außerhalb der sog. Produktenbörse (Feenpalafst!) den Charakter als Börse
abgesprochen hatte ~ diese Zusammenkünfte für eine Börse erklärt und dabei für den Begriff
der Warenbörse folgende Merkmale im Urteil v. 26. Nov. 1898 Entsch. 34, 315 (885f.) aufgestellt:
„Zunächst müssen Versammlungen einer größeren Zahl von Personen vorliegen, die an einem
ein für allemal bestimmten Ort und zu einer allgemein bestimmten Zeit, wenn nicht täglich,
so doch in verhältnismäßig kurzen Zwischenräumen regelmäßig abgehalten werden und deren
Wiederholung von vornherein beabsichtigt ist. Die sich Versammelnden müssen sodann wenigstens
vorwiegend selbständige Kaufleute oder kaufmännische Hilfspersonen sein und ihren Geschäfts-
sits am Ort der Versammlungen oder in deren Nähe haben. Die Versammlungen müssen weiter
dem Handel mit nicht zur Stelle gebrachten, vertretbaren Waren dienen, und zwar so, daß der
in ihnen betriebene Handel, wiederum zwar nicht ausschließlich, aber doch in erheblichem Maße
ein Handel von Großhändlern untereinander ist." Diese Begriffsbestimmung hat zwar manche
Beanstandung erfahren. Sie kann jedoch als die heute immer noch beste und die Begriffsmerkmale