Die Bevölkerungsftärke Schlefiens,
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Man {prach von der Güterjüdelet des Adels, von adeligen Kornjuden,
von Kornwipperei und ähnlidhem*). ZIer fapitaliftijche SGeijt hatte feinen
Einzug auf den GHerrenhHöfen gehalten; man hatte fich nicht mehr, wie bisher,
mit dem {tandesgemäßen Qebensunterhalt begnügt, jondern nach Reichtum
geftrebt und ihn auch errungen, aber der Wandel in der Denkwveije der Herren
bedang früher oder fpäter eine Umbildung der Arbeitsverfaffung, die auf
den Gütern an der Wende des Mittelalters zUr Neuzeit entjtanden war. Die
dafur geeignete Zeit, die zwanzig Jahre nad) dent Tode Friedrichs des
Großen, murden trog einzelner KReformanläufe in Schlefien ungenüßt ge-
lafjen; infolgedeffen mußte die Reform jpäter unter den denkbar uNn-
günftigiten Bedingungen in Angriff genommen werden.
Diefe alte Arbeitsverfaffung wollen wir im nächiten Kapitel betrachten.
9. Kapitel.
Gutsherr und Untertan in Schlefien nach dem Jiebenjährigen Kriege.
$ 1. Zahl der Einwohner, Dörfer, Anteile, Rittergüter und Herrenhöfe.
Wenn fortan von den ländlichen Zujtänden im altpreußijcdhen Schlefien
gefprochen wird, jo verjtehen mir UNtkCT dent altpreußifjhen Schlefien die Pro-
vinz innerhalb der Grenzen, die fie im Jahre 1742 erhielt; außer Betracht
6leiben alfo das von 1795—1807 zu Schlefien gehörige Neujchlejien, das
Gebiet SftlichH des oberfchlejifchen SKuduftriegebiets bi an die obere Pilica,
ferner die erft 1815 Schlefien angegliederten Teile der bisher fächfi[chen
Qaufiß, nämlich die Kreije Lauban, Girlig, Rothenburg und Hoyerswerda;
wohl aber gehörte zum altpreußijchen Schlefien der bei der Neuordnung der
preußifchen Provinzial und Kreisgrenzen im Sahre 1816 zur Provinz
Brandenburg gefhlagene Kreis SCHmiebus. STiejes altpreußijhe Schlefien
maß etiva 680 Quadratmeilen; 1777 lebten in den 130 {Olefijhen Städten
275 000 Menfdhen, auf dem Lande 1126 000, im Sahre 1807 in den
Städten 324 000 Menfchen, auf dem Lande 1580 000; während aljo die
jtädtijche Bevölkerung innerhalb diefer dreißig Jahre nur um 17,8 To ge:
wachjen war, hatte fi die ländlide um 40% vermehrt. Die im vorher-
gehenden Kapitel erwähnte, fteigende wirt{haftlihe Bedeutung des platten
Landes gegenüber den Städten tritt auch in diefen Zahlen zutage.
Auf den Quadratkilometer kamen im Jahre 1777: 37 und zu Beginn
des 19. Sahrhundertz 49 Menichen, ungefähr fo viele, wie anı Ende des
19. Sahrhundert8 der volksärmitie fAlefijhe Kreis, der oberfchlejif[he Kreis
Qublinig, mit 46,7 MenfhHen auf den Huadratkfilometer aufwies, oder wie
im Sahre 1910 in Medlenburg-Schwerin (49) oder in Rumänien und Sul-
garien (je 45) zu finden waren, während 1910 Schlefien eine Bevölferungs-
1) Xacobt, Ländliche Zuftände, S. 116.