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Dortmund, den 20. November 1915.
Betrifft russisch-polnische Arbeiter.
Die weitaus meisten der Ausländer sind unter Tage, und zwar
als Schlepper, Bremser, Abnehmer, Pferdetreiber, Hilfszimmerhauer,
Maurer usw. angelegt. Ueber Tage werden sie vorwiegend auf der
Kokerei beschäftigt, daneben als Platzarbeiter, auf der Hängebank und
im Kesselhaus, sowie, soweit sie Handwerker sind, in den Werkstätten
als Schmiede, Schlosser, Schreiner.
Verhältnismäßig sehr wenige von ihnen haben eine bessere Aus
bildung als Lehrer, Kaufmann, Schreiber, Ingenieur, Maschinen
techniker usw. genossen. Diese werden zum Teil, ihren Kenntnissen
entsprechend, mit zeichnerischen Arbeiten, sowie als Dolmetscher, als
Aufseher in den Ledigenheimen und als Bureaubeamte beschäftigt.
Die anderen gehören durchweg dem Arbeiterstande an und waren
in ihrer Heimat hauptsächlich als Weber, Sticker usw. in der Textil
industrie beschäftigt; der jüdische Teil hat auch wohl Hausierhandel
getrieben, und doch finden sich auch unter ihnen gelernte Bergarbeiter.
80 bis 90 Prozent sind der deutschen Sprache und teilweise des
Lesens und Schreibens mächtig. Die nur russisch oder polnisch spre
chenden Arbeiter sind durchgängig Analphabeten, zeigen jedoch eigen
tümlicherweise die Fähigkeit, sehr rasch die deutsche Sprache so weit
sich anzueignen, daß sie sich verständigen können.
Bezüglich der Löhne gehen sämtliche Zechenverwaltungen von dem
Grundsatz aus, daß die russisch-polnischen Arbeiter ebenso gestellt sein
und denselben Lohn erreichen sollen, wie die einheimischen Arbeiter.
Da die Leistungen vielfach, namentlich bei der Aufnahme der Beschäf-,
tigung, hinter denen der deutschen Arbeiter zurückbleiben, müssen
stellenweise höhere Löhne gezahlt werden, als ihnen im Verhältnis zu
ihren Leistungen zustehen würden.
Infolgedessen ist der Löhn nirgends niedriger, als ihnen vertrag
lich zugesichert ist.
Ebenso wenig ist die Beschwerde, daß durch die Beschäftigung der
fremdländischen Arbeiter der im Gedinge verdiente Lohn der ein
heimischen Arbeiterschaft gedrückt werden würde, zutreffend. Dies
beweist zur Genüge die Lohnstatistik, die von Monat zu Monat stei
gende Tendenz zeigt. Nach der Art und Weise, wie die Ausländer dem
Betriebe eingereiht sind, ist eine Minderung des Gedingelohnes durch
sie kaum möglich. Die meisten Fremdlinge werden mit den oben
genannten Arbeiten im Schichtlohn beschäftigt. Wo es sich um ge
lernte Bergleute handelt, sind diese, so weit wie möglich, für sich in
Kameradschaften zusammengelegt, wobei ihnen ein derartiger Gedinge-
satz gegeben ist, daß sie die allgemeine Lohnhöhe erreichen können; auf
Zeche Nordstern hat sagar im Monat Oktober der Lohn einer solchen
Kameradschaft die Höhe von 8,60 Mark erreicht. Läßt sich ein Zusam
menarbeiten mit einheimischen Arbeitern, namentlich in Kohlen-