Full text: Sozialpolitik in Österreich 1919 bis 1923

Obereinigungsamt in den Gedanken des Betriebsrätegesetzes gut 
hineingefunden und dadurch die Überzeugung wachgerufen haben, 
daß dieses Gesetz nicht nur soßialrechtlichen, sondern auch wirt— 
schaftlichen Interessen dient. Aber auch nach einer anderen 
Richtung, und zwar hinsichtlich der Einhaltung arbeiterschutz- 
gesetzlicher Bestimmungen, dürften die Betriebsräte den durch das 
Gesetz gestellten Aufgaben gerecht geworden sein, zumindestens 
haben wir keine Ursache, an der Richtigkeit der von den Gewerbe— 
inspektoren veröffentlichten Außerungen zu zweifeln. 
Mag auch zugegeben werden, daß die Betriebsräte in den 
ersten Jahren ihrer Tätigkeit ihr Augenmerk in hervorragendem 
Maß dem lohnpolitischen Gebiet zugewendet haben, so darf gerade 
hier der Grund dafür „unsere Geldentwertung“ nicht übersehen 
werden. Daraus erklärt sich auch mancher Vorwurf, den die 
Unternehmer der Haltung der Betriebsräte im allgemeinen und 
ihrer „Freistellung“ im besonderen gemacht haben. Ein Zwang 
zu dieser besonderen Betätigung der Betriebsräte ist nicht zuletzt 
in der ablehnenden Haltung mancher Unternehmer gegen die 
Institution der Betriebsräte zu erblicken. Dieser Umstand trat 
insbesondere bei jenen Gesellschaften in den Vordergrund, bei 
welchen den Betriebsräten die Entsendung von Mitgliedern in 
den Verwaltungs- (Direktions-) Rat und in den Aufsichtsrat zusteht. 
Auf diesem Gebiet hat sich die Tätigkeit der Betriebsräte erst zu 
einem geringen Teil bemerkbar gemacht, weil ihnen gerade hier 
der größte Widerstand entgegengebracht wurde. Bemerkenswert 
ist in diesem Fall die UÜberfremdung inländischer Industrie durch 
ausländisches Kapital. Infolge des Umstandes, daß die Ver— 
waltungsratssitzungen im Ausland stattfinden, verweigerten die 
Gesellschaften die Teilnahme der hiezu bestimmten Vertreter des 
Betriebsrates. Die Einigungsämter haben sich leider den vorge— 
brachten Argumentationen der Gesellschaften angeschlossen. Dies 
zu Unrecht, denn ausländische Gesellschaften haben das Recht der 
Zulassung eigentlich verwirkt, wenn sie sich den bestehenden Ge— 
setzen nicht unterwerfen. Die Einigungsämter haben sich auch 
sonst recht engherzig an den Wortlaut des Gesetzes gehalten und 
den Betriebsräten die Möglichkeit eines tieferen Einblickes in die 
Geschäftsgebarung benommen. So wurde unter anderem ausge— 
sprochen: „Der Unternehmer ist nicht verpflichtet, dem Betriebsrat 
Auskünfte über die Grundlagen der Bilanz (Einsicht in die 
Betriebskonti) zu gewähren.“ Ferner: „Der Betriebsrat ist nicht 
berechtigt, Auskünfte über Kredite, flüssige Geldmittel, Geschäfts⸗ 
aufträge und Geschäftsaussichten des Unternehmers zu verlangen.“ 
Gerade die Unkenntnis solch interner Vorgänge benimmt einer— 
seits den Betriebsräten die Möglichkeit, dem Abbau von Lohn und 
Arbeitskräften entgegenzuwirken und den Gegenbeweis für solche 
bon der Unternehmerorganisation bestellte Arbeit zu erbringen;
	        
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