Full text: 10 Jahre Wiederaufbau

einer Laufzeit von zehn Jahren herausgab. Dadurch 
wurde die Jahreslast des Bundes bedeutend erleichtert. 
„eider mußte auch eine Ausgleichung der Vorteile jener 
zesucht werden, die Obligationen der alten Laufzeit 
dereits erhalten hatten. Man nimmt ihnen 12°% des Er- 
üaltenen wieder ab, soweit sie zahlungsfähig. sind. 
2. Der Bundesbeitrag zu den Schulden wird überhaupt 
ıur gewährt, wenn die Schuld mehr als das 1000 fache 
lessen ausmacht, was sie nach dem Vorkriegsschulden- 
kurs in Kronen ausgemacht hatte, und erst von dem 
liese Grenze übersteigenden Währungsverlust wird 
dieser Beitrag berechnet, dessen Perzente im übrigen 
zleich bleiben. Es wird also ein 1000 faches Multiplum 
vorweg abgezogen und dieses Multiplum erhöht sich 
sogar, wenn die Schuld selbst mehr als das 7000Ofache 
ihres Vorkriegswertes ausmacht, auf das I500fache. Das 
ıst also statt einer Verschiebung eine wirkliche Herab- 
jetzung der Lasten des Bundes. Durch dieses Multiplum 
verkleinert sich andererseits der Anteil des Bundes an 
den Kronenforderungen. 
NM. Die Durchführung. ı 
I. Die Organe der Durchführung. a) Das Abrechnungs- 
amt. Der Staatsvertrag von St. Germain sieht im Ar- 
ükel 248 eigene Ämter, die Prüfungs- und Ausgleichs- 
ämter, vor, die den Zwangsclearing durchzuführen haben. 
leder Siegerstaat, der das Clearing gewählt hat, und 
Österreich errichteten solche Ämter. Zu diesem Amte 
3ignete sich in Österreich die „Österreichische Schutz- 
stelle für österreichisches Vermögen im Auslande”, die 
während des Krieges allerdings andere Aufgaben hatte, 
aber bei der sich bereits Anmeldungen der österreichischen 
Aktiven und Schulden vorfanden und die, ursprünglich 
aus Delegierten der Handelskammern bestehend, mit 
Jen interessierten Bevölkerungskreisen in regem Verkehr 
blieb. Aus dieser Schutzstelle wurde mit Vollzugsan- 
weisung des Staatsamtes für Finanzen vom 9. Jänner 1920, 
5tGBl. Nr. 25, das dem Bundesministerium für Finanzen 
ünterstehende Abrechnungsamt geschaffen. 
Die Tatsache, daß diesem Amte sprachkundige Juristen 
angehören, die mit dem internationalen Recht vertraut 
3ind, hrachte es mit sich, daß es auch mit der Ver- 
Tetung des Bundes vor den internationalen 
Schiedsgerichten betraut wurde und insbesondere 
die gegen den Bund anhängig gemachten Schadenersatz- 
Prozesse behandelt. 
b) Die Spruchstelle des Abrechnungsamtes. Die Vor- 
kriegsschulden, die das Abrechnungsamt von den öster- 
’eichischen Schuldnern eintreibt, sind oft sehr drückend. 
Deshalb sind im Vorkriegsschuldengesetz Erleichterungen 
Mit Rücksicht auf die finanzielle Lage der Schuldner 
vorgesehen. Sie werden von einer Spruchstelle gewährt, 
die mit drei vom Finanzminister ernannten und zwei 
Laienvertretern besetzt ist, die die Hauptversammlung 
des Abrechnungsamtes wählt. 
c) Der Abrechnungsgerichtshof. Die Verwaltungsrecht- 
Sprechung in Abrechnungssachen obliegt einem eigenen 
Gerichtshof. Er entscheidet in Senaten, die aus einem 
Vorsitzenden, zwei fachmännischen Richtern und zwei 
«aienrichtern bestehen. 
2. Der Verlauf der Durchführung. 
Es war von vorneherein ersichtlich, daß der Vertrag 
‚on St. Germain, wenn seine hier geschilderten Bestim- 
nungen von den Siegerstaaten wörtlich ausgenützt worden 
vären, undurchführbar gewesen wäre. Wie hätte Öster- 
'eich im Zwangsclearing seine Debetsaldi in fremder 
Währung jeden Monat zahlen können, zumal wenn die 
iktivseite der Rechnung in der Willkür der Gegner 
tand, die ja nicht gezwungen werden konnten, die 
‚iquidationen rasch durchzuführen und die erzielten 
irlöse gutzuschreiben. Zunächst geschah nach dem 
'riedensschluß längere Zeit nichts, wohl auch darum, weil 
lie Siegerstaaten Wichtigeres zu tun hatten und weil 
;jich kaum jemand in der Materie auskannte, für die es 
cein Vorbild gab. Dann entschlossen sich die Sieger- 
;taaten zu den verschiedensten Erleichterungen, die von 
edem Staat anders gewährt wurden. 
A. Das Altausland. . 
a) Großbritannien, Das Mutterland und jene 
zroßbritannischen Gebiete, die dem Clearing beigetreten 
varen, haben durch die Note der britischen Regierung 
‚om 27. August 1920, StGBl. Nr. 478, auf die Zahlung 
ler monatlichen Passivsaldo Österreichs verzichtet, doch 
vurden halbjährige Akontozahlungen von % 250.000.— 
wuf den Endpassivsaldo vereinbart. Diese wurden einige 
Zeit ausgesetzt, aber Österreich bemühte sich vergeblich, 
nit Hinweis auf den günstigen Stand seiner Aktiven, 
ine völlige Stundung seiner Zahlungen zu erreichen. 
?s hat tatsächlich an England £ 055.600.— geleistet, 
liesen Betrag aber dann verzinst zurückerhalten. Ferner 
vurde den Österreichern gestattet, durch private Ver- 
leiche ihre Schulden an englische Gläubiger zu bezahlen 
ınd sogar zu einem allerdings sehr geringen Teile 
12%) in England beschlagnahmte Aktiven zu solchen 
Zahlungen zu verwenden. Diese Vergleiche ließ aber 
'ngland nur „über Clearing” zu, das heißt, die Forderung 
nußte zunächst als englisches Guthaben in die gemein- 
;ame Rechnung kommen und wurde dann wieder aus 
hr herausgenommen. Diese Erschwerungen förderten die 
’ergleiche nicht. Für die Entschädigung österreichischer 
\ktivenbesitzer hat Österreich Pfundschuldverschrei- 
ungen ausgegeben in der Höhe von © 4,500.000.—. 
Vermögen unter % 200.— wurden im allgemeinen frei- 
‚egeben und die Freigabe wurde je nach dem Verhältnis 
dies Besitzers zu England (Engländerinnen, die Öster- 
eicher geheiratet hatten, Österreicher, die lange in Eng- 
and gewohnt hatten) gestuft, waren aber von keiner 
zroßen praktischen Bedeutung. 
Nur zum Teil dasselbe Schicksal hatte unser Ver- 
nögen in 
b) Ägypten. Anläßlich seiner Unabhängigkeits- 
rklärung mußte Ägypten England zugestehen, daß die 
‚iquidation feindlichen Eigentums ausschließlich Englands 
jache sei. Ägypten hat die Forderungen seiner Staats- 
»ürger aus den österreichischen Aktiven gedeckt und 
len Überschuß von % 322.000. an das englische Aus- 
gleichsamt übergeben. was unseren Aktivsaldo in Fno- 
and erhöht. 
Wesentlich günstiger gestaltete sich die Gebahrung 
im Verhältnis zu den anderen Gebieten des Britischen 
Reiches. 
c) Südafrika war der erste Staat, der die Erlöse 
österreichischer Aktiven, soweit sie die Schulden über-
	        
Waiting...

Note to user

Dear user,

In response to current developments in the web technology used by the Goobi viewer, the software no longer supports your browser.

Please use one of the following browsers to display this page correctly.

Thank you.