Full text: 10 Jahre Wiederaufbau

stiegen, nicht für sich verwendete. Er behielt zur Deckung 
österreichischer Forderungen 4% zurück und gab für 
den Rest 4%,ige Bons unmittelbar an die Eigentümeı 
aus, nahm also die Pflicht, die Betroffenen zu entschä- 
digen, auf sich und dem besiegten Österreich ab. Diese 
Aktion entzog sich größtenteils der Ingerenz und der 
Kenntnis der österreichischen Behörden. 
d) Kanada ist darüber weit hinausgegangen. Durch 
die Londoner Konvention vom 18. November 1926, 
BGBl. Nr. 9 aus dem Jahre 1927, wurde vereinbart, daß 
die kanadische‘ Verwaltung die Schulden der Öster- 
reicher aus den österreichischen Aktiven dec&t und den 
verbleibenden Erlös im Wege des österreichischen Ab- 
rechnungsamtes den Eigentümern frei herausgibt. 
e) Australien und Neuseeland haben den 
Clearing nicht gewählt. Über das Schicksal der öster- 
reichischen Aktiven und Schulden in diesen Ländern ist 
noch nicht entschieden. ” 
Unter den Clearingstaaten war 
f) Frankreich derjenige, mit dem sich die Durch- 
führung des Vertrages St. Germain für uns am gün- 
stigsten gestaltete, und zwar auf Grund der Konvention 
vom 3. August 1920, BGBl. Nr. 334 aus 1921. Vergleiche. 
zwischen österreichischen Schuldnern und französischen 
Gläubigern wurden in weitestem Maße zugelassen und 
vom französischen Amte gefördert. Hicbei konnten be- 
schlagnahmte österreichische Aktiven verwendet werden, 
und zwar wenn das Aktivum dem Schuldner gehörte, 
ganz, sonst bis zu 70%. Das hat die Clearingredhnung 
sehr bedeutend entlastet und unseren Passivsaldo in einen 
Aktivsaldo verwandelt. Auf die monatlichen Zahlungen 
war verzichtet worden. Für die Zahlung der Valuta- 
schulden wurden fünf mit 2%, verzinsliche Jahresraten, 
für die Kronenschulden 25 unverzinsliche Jahresraten 
zugestanden, so daß sich der Gegenwartswert der Kronen- 
schulden auf weniger als die Hälfte ihres Nominalwertes 
stellte. Zwischen den österreichischen Banken und ver- 
schiedenen Gruppen französischer Gläubiger kam das 
noch günstigere Übereinkommen vom 2. August 192] 
zustande, wonach die österreichischen Banken 30 Cen- 
times für jede schuldige Krone in 3 Raten zu leisten 
hatten. Staatsfinanziell fällt aber am meisten ins Ge- 
wicht ein Übereinkommen über die Kriegsfälligkeiten 
der alten österreichischen Staatsschulden. Nach diesem 
Übereinkommen wurde die Kriegsfälligkeit in eine neue 
Schuld von rund 160,000.000 Franken mit 5°% verzins- 
lich und in 10 bis 20 Jahren zahlbar umgewandelt. Auch 
hier sind für I Krone 30 Centimes zu zahlen. 
Zur Entschädigung von in Frankreich liquidierten Ak- 
tiven hat Österreich bisher 40,000.000 französische 
Francs in Schuldverschreibungen ausgegeben. Soweit Ak- 
tiven aus Hausrat und Gegenständen für den persön- 
lichen Gebrauch bestanden haben. wurden sie durch die 
Konvention freigegeben. 
Dem französischen Beispiel folgt genau die Ge- 
barung mit 
g) Belgien. Es machte uns dieselben Zugeständnisse 
wie Frankreich, mit dem Unterschied, daß in dem soge- 
nannten Banken-Übereinkommen die Krone nicht mit 
30, sondern mit 20 Centimes valorisiert wird. Im ganzen 
wurden rund 5 Millionen belgische Franken in öster- 
‚eichishen Abrechnungsschuldverschreibungen ausge- 
geben. 
h) Griechenland. Der Verkehr mit diesem Staate 
wich nur in einer Beziehung von den Anordnungen des 
Vertrages von St. Germain ab. Griechenland hat nämlich 
auf die monatlichen Zahlungen des österreichischen 
Dassivsaldos verzichtet und es wurden ihm dafür Halb- 
ahresraten von 600.000 Drachmen zugestanden. Bis 
‚etzt hat Österreich 15,000.000 Drachmen abgezahlt. 
j) Italien. Mit diesem Staat schloß Österreich zu- 
nächst ein Übereinkommen vom 6. April 1922, BGBl. 
Nr. 64 aus 1923, das nach dem Muster Frankreichs un- 
mittelbare Zahlungen österreichischer Schulden, teilweise 
auch mit Verwendung österreichischer Aktiven gestattet. 
Von dieser Gestattung wurde jedoch sehr wenig Ge- 
brauch gemacht. Mit dem Übereinkommen vom 13. De- 
zember 1024 wurde die‘ Zahlung des allfälligen Passiv- 
;aldos Österreichs der Schlußabrechnung vorbehalten. 
Die Liquidation des österreichischen Vermögens und die 
ınschließenden Gutschriften der erzielten Erlöse gehen 
langsam vor sich. Immerhin hat Österreich schon 
70,000.000 an Lireobligationen seinen Aktivenhesitzern 
ausgezahlt. - 
k) Die Vereinigten Staaten von Amerika 
2atten sich, wie schon bemerkt, in einem Sonderver- 
Trage alle Rechte vorbehalten, die den Siegerstaaten in 
5>t. Germain zugestanden worden waren, aber schon 
lurch die sogenannte Winslow-Bill wurden Beträge 
ınter $ 10.000’— und von den Zinsen jährlich $ 10.000’- 
den Eigentümern freigegeben und es wurde immer 
wieder ausgesprochen, daß Amerika nicht geneigt sel, 
ich fremdes Eigentum anzueignen. Durch das Überein- 
sommen vom 26. November 1024, BGBL Nr. 22 ex 1026, 
wurde eine aus einem Österreichischen und einem 
ımerikanischen Vertreter und einem ‘ unparteiischen 
schiedsrichter zusammengesetzte Kommission ins Leben 
gerufen, deren Aufgabe es ist, die Schadenersatzan- 
;prüche gegen den österreichischen Staat und die Vor- 
kxriegsschulden der Österreicher an die Amerikaner 
indend festzustellen. Während dies geschah, wurde die 
3ill vom 10. März 1928 beschlossen, wonach das ge- 
jamte österreichische Figentum in Amerika freizugeben ist, 
wenn Österreich die vom Unparteiischen zu bestimmende 
üicherstellung für die österreichischen Schulden leistet. 
\uch wird dieser Unparteiische ermächtigt, nach billigem 
“rmessen den Wert der Krone in Dollar festzusetzen 
ınd er tat dies, indem er I Krone 6 Cents gleichstellte. 
Jie Sicherstellungssumme hat er noch nicht festgesetzt, 
lie gesamten amerikanischen Ansprüche dürften aber 
'/, Millionen Dollar nicht übersteigen, während unsere 
\ktiven mit mindestens 12 Millionen Dollar bewertet 
werden. Sobald die Sicherstellungssumme festgesetzt ist, 
wird sie von Österreich erlegt werden und die Freigabe 
“ird beginnen können. 
Bisher wurden an Abrechnungsschuldverschreibungen 
auf Grund des alten und des neuen Vorkriegsschulden- 
zesetzes Nennbeträge im umgerechneten Betrag von 
125,000.000 Schilling ausgegeben. Die Gesamtsumme 
vird sich schließlich 300,000.000 Schilling nähern. Sie 
tellt in der Hauptsache die Entschädigung für das 
iquidierte Eigentum dar, aus welchem aber die öster- 
‚eichischen staatlichen und privaten Vorkriegsschulder
	        
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