Eine Sitzung des Wiener Stadtsenates
Von linksnadı rechts : Leopold Kunschak, Dr. Alma Motzko, Hans Rummelhardt, Vizebürgermeister Ferdinand Hoß, Bürgermeister
Karl Seitz, Magistratsdirektor Dr. Karl Hartl (stehend), Vizebürgermeister Georg Emmerling, Hugo Breitner, Paul Speiser, Franz
Siegel t, Anton Weber, Quirin Kokrda, Professor Julius Tandler, Karl Richter.
DIE ENTWICKLUNG DER VERFASSUNG DER STADT WIEN
VON 1918 BIS 1928
Von Dr. Karl Hartl, Magistratsdirektor der Bundeshauptstadt Wien.
Durch das Reichsgemeindegesetz von 1862 wurde
den österreichischen Gemeinden eine außerordentlich
weitgehende Autonomie eingeräumt. Neben dem über-
iragenen Wirkungskreis, in dem sie zur Mitwirkung
an der staatlichen Verwaltung herangezogen werden,
wird ihnen der sogenannte selbständige Wirkungs-
kreis gesetzlich verbürgt, in welchem sie mit Beob-
achtung der bestehenden Gesetze nach freier Selbst-
bestimmung anordnen und verfügen können und der
überhaupt alles umfaßt, was das Interesse der Ge-
meinden zunächst berührt und innerhalb ihrer
Grenzen durch ihre eigenen Kräfte besorgt und durch-
geführt werden kann. In diesem Wirkungskreis ist
das staatliche Aufsichtsrecht darauf beschränkt, daß
sie nicht gegen die bestehenden Gesetze verstoßen.
Durch diese weitgehende Autonomie waren den Ge-
meinden Entwicklungsmöglichkeiten gegeben, die
insbesondere die Städte auf wirtschaftlichem Gebiet
betätigten, indem sie für die Allgemeinheit lebens-
wichtige Betriebe teils erwarben, teils gründeten, so
Straßenbahnen, Gaswerke, Elektrizitätswerke, Leichen-
bestattungen usw. Auch in Wien wurden um die
Wende des Jahrhunderts diese Unternehmungen ver-
stadtlicht. ;
Eine erhöhte Autonomie wurde durch das bezeich-
nete Reichsgemeindegesetz den sogenannten Städten
mit eigenem Statut, auch Statutargemeinden genannt,
zugebilligt. Es sind dies die Landeshauptstädte und
andere größere Städte sowie Kurorte. Das höhere
Maß ihrer Autonomie besteht darin, daß sie für ihr
Gebiet die unterste Stufe der staatlichen Verwaltung
5ildeten. Die damalige allgemeine staatliche Ver-
yaltung hatte als unterste Stufe (politische Behörde
i. Instanz) die Bezirkshauptmannschaften, als Mittel-
Landes-)stufe die Statthaltereien (Landesregierungen)
und als höchste Stufe die Ministerien. In den Städten