88
)
ist, zu dem ihr Streben führt, die Jahr um Jahr an den
kleinen Wasserspeiern irgendeines Wahlrechtes oder dem
Zuhauen des Grundsteines irgendeiner Erziehungsreform
arbeiten oder einen Stein einfiigen, der vielleicht nie ganz
den Fleck ausfüllt, für den er bestimmt war und wegge
worfen werden muß, oder die ihr ganzes Leben lang an
dem Tragstein irgendeiner Reform in dem Verhältnis der
Geschlechter meißeln, um endlich zu sehen, wie er unter
ihrem Stichel zerbricht, die über viele Enttäuschungen viel
leicht zu keinem Erfolg oder nur zu so geringem oder so
verborgenem gelangen, daß nie ein Auge ihn sehen wird,
für die mag es nicht leicht sein, zu arbeiten ohne müde zu
werden. Und doch sind es diese Myriaden Arbeiterinnen,
die jede in ihrer eigenen winzigen Sphäre arbeiten, mit
ihrem engen Ausblick unter endlosem Mißlingen und vie
len Enttäuschungen, durch deren Arbeit zuletzt ein höheres
und schöneres Verhältnis der Frau zum Leben erstehen
wird, wenn ein solches überhaupt kommen soll.
Wenn auf dem Grunde des Meeres ein Seestern am Fuß
eines steilen Felsens liegt, scheint es dem Zuschauer, als
ob nichts die träge Masse in Bewegung bringen und das
Tier niemals den Felsen hinanklimmen könnte. Aber gebt
nur acht. Auf der Unterseite, den Blicken verborgen, hat
es tausend feiner Fühlfäden, und aus dem Nervenzentrum
strahlen Willensimpulse in alle Teile des Körpers, und je
des winzige Fäserchen, dünn wie ein Haar, dehnt sich lang
sam aus und klammert sich an der nächstliegenden klein
sten Rauheit des Felsens an; bald läßt ein winziger Fühl
faden seinen Halt fahren, bald hält ersieh wieder fest, und so
gelangt langsam, langsam die ganze träge Masse zum Gipfel.
I n diesen Versuchen einer Neuanpassung der Frau an
das Leben spricht man oft von den Führerinnen, als von
der „Neuen Frau“, und zwar so, als ob sie etwas Unheilver
kündendes, Unerhörtes in der Menschengeschichte wären.