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Bernhard Harms
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Blick in die außereuropäische Welt. Dort ist in der Tat Sieg. Aber
nur in den Vereinigten Staaten. Sonst nirgends auf dieser Erde. Das
ist der politische Ausgang des Weltkrieges. Wirtschaftlich gesehen, liegt
es im Augenblick nicht anders. Einen Träumer aber möge man mich
nennen, wenn sich als falsch herausstellen sollte, was ich in seiner Not-
wendigkeit wissenschaftlich bereits zu erkennen glaube: daß schon in
absehbarer Zeit auch die Vereinigten Staaten in der wirtschaftlichen
Interessensolidarität der Völker und Staaten den Ausweg aus ihrer Lage
erblicken werden.
Internationale Interessensolidarität! Fort mit dem Wort,
soweit es unkontrollierte Gefühle und moralische Postulate einschließt.
Nicht weil ich es wünschte, sondern weil die Menschen es so wollen.
Nackt sei der Sinn begriffen: will ich leben, so mußt auch du leben!
Diese Erkenntnis war bereits Eigentum der Klassiker — bis hin zu
dem von der Vernunft eingegebenen Satz David Humes: ‚Je”reicher
unsere Nachbarn, desto besser für uns. Wie unendlich weit haben
wir uns von dieser Auffassung heute entfernt. Und doch ist sie im
Kern richtig. Mit Menschen, die nicht zahlungsfähig sind, lohnt kein
Handel. Die Nutzanwendung auf die Weltwirtschaft ergibt sich von
selbst. Die These vom Kampf aller gegen alle würde nur dann richtig
sein, wenn der Nahrungsspielraum auf dieser Erde für die Menschen,
die sie trägt, zu klein wäre und ein Volk wirklich nur auf Kosten
des andern zu höheren Daseinsformen gelangen könnte. Kein Irrtum
ist größer als dieser. »Anbau, Abbau, Ausbauet, um mit Werner
Sombart zu reden, haben nicht etwa, wie häufig angenommen wird
und wohl auch Sombart wähnt, um die Wende des 19. Jahrhunderts
schon ihren Höhepunkt erreicht, sondern stehen in wirklich großem
Ausmaße erst noch bevor. Es gilt dies gleicherweise für Nahrungs-
mittel wie für Rohstoffe. Daß es, weltwirtschaftlich betrachtet, inner-
halb einer Zeit, mit der die heutige Menschheit zu rechnen hat (und
über die hinaus den Urenkeln das Lächeln ob der Sorge ihrer Vorfahren
überlassen bleiben möge), an Nahrungsmitteln oder Rohstoffen fehlen
könne, ist eine unsinnige Vorstellung. Entscheidend wichtig ist hingegen,
ob die Menschheit es verstehen wird, über vermeintliche oder wirkliche
sonderraumwirtschaftliche Gegensätze hinweg die wirtschaftlichen Mög-
lichkeiten auf dieser Erde planmäßig und in gemeinsamer Arbeit aus-
zunutzen. WUnerläßliche Voraussetzung dafür ist die Einsicht, daß
es sich hier nicht um ein Verteilungsproblem vom Standpunkte dessen
handelt, was heute gegeben ist, sondern um Anbau, Abbau und Ausbau in
einem Umfange, wie er der Welt bisher unbekannt war. Diese Erkenntnis
kann nicht aus Krämergeist hervorgehen, der ängstlich die Kunden zählt,
die sich der Konkurrenz zuwenden, sondern muß ihre Wurzeln in der Über-