VOM WOHLTUN
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78. VOM WOHLTUN
{n‘ einer großen Dresdner Tageszeitung fand ich eine Notiz,
die interessant genug ist, wiedergegeben zu werden. .
„‚Wohltätigkeitstee. Generaldirektor Rücker veranstaltete
in der vergangenen Woche in den Gesellschaftsräumen des
Europahofes zwei Teenachmittage zu wohltätigen Zwecken.
Der erste Nachmittag galt dem geplanten Bau einer Kirche
in X. Die Opern- und Konzertsängerin A. v. B. erfreute die
Anwesenden mit dem Vortrag von Liedern, die sie — von
Dr. C. künstlerisch begleitet — mit volltönendem Sopran und
vertieftem Ausdruck sang. Schauspieler B. trug Lieder zur
Laute vor, die viel Anklang fanden. Auch das treffliche
Orchester unter P.s Leitung, der selbst schöne Violinsoli
spielte, unterhielt die Zuhörer einige Stunden. Der zweite
Nachmittag galt Kleinrentnern, die nicht mehr in der Lage
sind, etwas zu verdienen und sich mühsam durchs Leben
schlagen müssen. Auch hier fehlte es während der reichlichen
Bewirtung nicht an unterhaltsamen Vorträgen durch das
Instrumentaltrio und den oben genannten Lautenkünstler.“
Wohltun trägt Zinsen, ist ein altes Sprichwort. Ich sehe nicht
ein, warum der Leiter eines beliebten Gaststättenbetriebes sich
und seine Räume nicht in den Dienst der Wohltätigkeit stellen
Soll, auch wenn sich mit diesem Tun der Gedanke einer gewissen
Reklame verbindet! Seien wir einmal ganz ehrlich. Was ver-
anlaßt die Mehrzahl der Angehörigen der guten Gesellschaft,
sich. beim Arrangement von Wohltätigkeitsfesten aller Art auf-
zuopfern? Doch nur der — allerdings niemals ehrlich aus-
Sesprochene — Gedanke, daß damit eine sehr nette und sehr
gefällige Reklame für das eigene liebe Ich verbunden sei. Der
eingangs wiedergebenen Notiz waren natürlich verschiedene
andere vorausgegangen, in denen auf die geplante Wohltätig-