Full text: Das Hotel- und Gastgewerbe

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DAS HOTEL- UND GASTGEWERBE 
Vorsichtig hatte er seinen Platz in einer halb verborgenen Nische beim 
Saaleingang gewählt. Er übersah alles und konnte selbst nur von einem 
kleinen Teil der nächsten Tische aus gesehen werden. Dann übergab er 
dem interessiert aufhorchenden Kellner seine Bestellung. Dieser flog. Bald 
kehrte er zurück, servierte die übliche Gläsergarnitur ab und setzte bei- 
nahe mit Andacht einen wundervoll geschliffenen Kristallkelch, ein 
Meisterstück deutscher Glasbläserei- und edelster Schleifkunst, vor Horst 
Stolzenberg nieder. Dazu eine schlankhalsige Flasche, die er zart und 
behutsam wie eine verwöhnte Geliebte behandelte. Steinberger Cabinet 
stand auf der Etikette. Vorsichtig goß der Kellner den goldklaren Wein 
in das vornehme Kristallglas. Horst nahm den Kelch und sog mit Kenner- 
miene die wunderherrliche Blume ein, „Meine schöne, duftige Geliebte 
vom schönen Rhein!“ sagte er leise, weich und glücklich. „Du Einzigel“ 
Plötzlich ließ er den Becher sinken und seine dunklen, lebhaften Augen 
starrten wie hypnotisiert auf die wunderschöne Ellen Gabriel, die in 
diesem Augenblick mit ihrer noch jugendlich aussehenden Mutter in den 
Saal trat. Ellen Gabriel mußte es bemerken und wunderte sich. Kannte 
er sie? Es war ihr beinahe unangenehm, als die Mutter einen Tisch ganz 
nahe bei dem von Horst Stolzenberg wählte. Derselbe Kellner bediente 
sie. Frau Gabriel studierte die Weinkarte mit der Miene einer Kennerin, 
dann bestellte sie. Der Kellner machte ein unglaublich verblüfftes Gesicht, 
als er die Bestellung entgegennahm, so daß es Frau Gabriel hätte auf“ 
fallen müssen, wenn sie nicht gerade den Saal durch ihr Augenglas ge 
mustert hätte. Fast zögernd entfernte sich der gewandte Kellner, auf 
seinem Gesicht lag tiefes Erstaunen. Als er zurückkehrte, trug er vor- 
sichtig zwei ebensolche geschliffene Weinkelche, wie er Horst Stolzen- 
berg einen gebracht hatte. Und eine schlankhalsige Flasche mit der- 
selben Etikette. 
Horst beobachtete den Tisch scharf. Mit seinen Falkenaugen las er 
trotz der Entfernung die Inschrift: Steinberger Cabinet! Es war „sein“ 
Wein. Da tat er einen tiefen Zug aus dem Kristalikelch und auf sein 
markantes Gesicht trat ein Ausdruck, als habe er das Glück leibhaftig 
vor sich. 
Die Musik setzte ein. Zufällig spielte sie kein übermodernes Jazzstück, 
sondern Strauß’ ewig schönen Walzer „Geschichten aus dem Wiener- 
wald‘. Hastig sprang Horst, der nicht hatte tanzen wollen, auf, verbeugte 
sich tief erst vor der Mutter und dann vor Ellen und bat um den Tanz. 
Ellen erhob sich schneller, als es der gute Ton will. Ein wenig ver- 
wirrt, leicht errötend, fragte sie: „Kennen Sie mich? Fast scheint es so!“ 
„Ja, ich kenne Siel* rief er freudig, mehr als er es sprach. „Sie sind 
das Wesen, das mir mein Lieblingswein schon tausendmal vorgaukelte, 
wenn ich in den goldenen Spiegel des Bechers blickte. Aber immer ver- 
schwanden Sie wieder. Nun endlich halte ich Sie“ — — und werde dich 
halten! setzte er unhörbar flüsternd hinzu. Ellen wurde ganz seltsam 
zumute. Ein eigenes Gefühl überkam sie, War es Furcht vor seinem 
exaltierten Wesen? Aber seine gefestigte männliche Erscheinung wollte 
so gar nicht zu diesem Wesen passen. Hatte er etwa zu tief ins Glas 
geblickt? Er sprach ja selbst davon, daß er sie schon tausendmal im 
Spiegel des Bechers erblickt habe. Während Horst sie elegant und sicher
	        
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