Full text: Grundzüge der Theorie der Statistik

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Fach. Was man im Staatsdienste brauchte, das sollte ihr Gegen- 
stand sein. Diese praktische Richtung tritt auch darin zutage, daß 
sie nur den gegenwärtigen Zustand schilderte. Hätte man sich 
jedoch damit begnügen wollen, so würde ein statistisches Werk bald 
nach seinem Erscheinen veraltet sein und in die Makulatur wandern 
gönnen. Die Universitätsstatistiker mußten also ihr Ziel weiter 
stecken, als bloß ein Bild der Gegenwart zu geben. Schlözer gestand 
denn auch die Möglichkeit zurückgreifender Statistiken Zu; man 
könnte, wie er sagt, „die Geschichte stille stehen lassen“ . Es 
brach sich also die Erkenntnis Bahn, daß man auch frühere Zu- 
stände statistisch beschreiben könne und daß die Aufgabe der Sta- 
tistik darin zu suchen sei, die jetzigen Zustände aus den ver- 
gangenen zu erklären und die Wechselwirkung zwischen den ein- 
zelnen Verhältnissen des Staates darzustellen. Schlözer wollte in 
der eigentlichen Statistik nur Tatsachen mitgeteilt wissen, der Sta- 
tistiker müsse aber, um seinen Vortrag weniger „trocken“ zu 
machen, „durch Einmischung von Geschichte, Ursachen und Folgen“ 
dem Vortrag „Leben und Interesse geben“ 2). 
Es förderte nur anscheinend den wissenschaftlichen Charakter 
der Statistik, daß Schlözer, wie seinerzeit Conring, eine bestimmte 
Einteilungsformel für diese Disziplin aufstellte, so lautend: vires 
unitae agunt®). Vires, die Grundmächte, sind Menschen, Land, 
Erzeugnisse und zirkulierendes Geld; in der Staatsverfassung ver- 
einigen sich diese Kräfte; und schließlich ergeben Regierung und 
Verwaltung der Formel drittes Glied, sie sind es, die wirken 
’agunt). Solche altertümlichen Formeln zeigen dem modern den- 
kenden Menschen mit aller Deutlichkeit den großen Abstand, von 
dem aus neuzeitlich denkende Menschen diese gesamte Disziplin 
detrachten. Obwohl man sie mit großer Begeisterung pflegte, trug 
sie doch stets das Gepräge der Geistesarmut. 
16. Eine von der gewöhnlichen Staatsbeschreibung etwas ab- 
weichende Stellung nahm der Geograph Büschin g (1724—1793) ein, 
ler die Statistik der Geographie unterordnen wollte. Mit Bienen- 
fleiß sammelte er, nicht immer unter günstigen Verhältnissen, eine 
ungeheure Menge Stoff, wovon seine im Jahre 1754 begonnene „Neue 
Erdbeschreibung“ deutlich zeugt. Allerdings trägt diese Beschreibung 
') Schlözer, Theorie a. a. O., S. 86—87. 
*) Ebenda 8. 86. 
Y Ebenda 8. 59.
	        
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