Staats-Gesellschaft, Rechts-Gesellschaft und Wirtschafts-Gesellschaft. 561
sie auf eine an die andere Seele gerichtete „Forderung mit wahrer
Rechts-Behauptung‘“ zielt und der anderen Seele ein Verhalten-
Seelenaugenblick zugehört, in welchem sie jene Forderung erfüllt. Eine
„Forderung mit Rechts-Behauptung‘“ liegt z. B. vor, wenn A von B
unter Bezugnahme auf die Bestimmung eines besonderen „Bürgerlichen
Gesetzbuches‘‘ eine besondere Zahlung fordert, und wenn B diese For-
derung erfüllt, weil er den wahren Gedanken hat, daß A ein bezüg-
liches Recht habe. Solche „Rechts-Gesellschaft‘“ stellt sich als eine
„Fügsamkeits-Herrschaft‘“ dar. Da aber jede „Forderung mit
Rechts-Behauptung‘“ eine „Forderung aus gleich gerichtetem Befehle mit
Rechtsverleihungs-Behauptung“‘ darstellt, ergibt sich, woferne die „For-
derung mit Rechts-Behauptung‘ in Wahrheit auf jenes Verhalten ge-
richtet war, auf welches jener in der Forderung behauptete Befehl ge-
richtet ist, mit der „Rechts-Fügsamkeits-Merrschaft‘ auch
eine „Rechts-Gehorsamkeits-Herrschaft“‘“, ergibt sich also eine
zweifache ‚Gesellschaft‘. Mit den Worten ‚‚Rechts-Fügsamkeits-Herr-
schaft“ und „Rechts-Gehorsamkeits-Herrschaft‘“ soll keineswegs gesagt
sein, daß jemand dem „Rechte“ gehorcht oder sich dem „Rechte‘“
fügt, daß also das „Recht‘ herrscht, soll vielmehr nur gesagt werden,
daß jemand eine „Forderung mit Rechts-Behauptung“ bzw. einen „Be-
fehl mit Rechtsverleihungs-Behauptung“ erfüllt. Als „Rechtsverfahren-
Gesellschaft‘‘ bezeichnen wir hingegen jede Gesellschaft zweier Seelen,
welche dadurch begründet ist, daß der einen Seele ein Verhalten-Seelen-
augenblick zugehört, in welchem sie auf eine an die andere Seele ge-
richtete Rechtsklage zielt, und der anderen Seele ein Verhalten-Seelen-
augenblick zugehört, in welchem sie die in jener Rechtsklage enthaltene
Entscheidungs-Forderung mit einer „Rechtsweisung bzw. -abweisung‘‘
erfüllt. Mit einer „Rechtsverfahren-Gesellschaft‘‘ kann sich überdies,
da in jeder Rechtsklage auch ein Antrag auf Rechtsweisung enthalten
ist, eine „Rechtsweisungs-Gesellschaft“ ergeben, wenn nämlich gemäß
jenem Antrage Recht gewiesen wird. Mit jeder „Rechtsweisung“‘ er-
gibt sich also zwischen dem Rechtskläger und dem Rechtsweiser so-
wohl eine „Forderungs-Erfüllungs-Gesellschaft‘‘ als auch eine „Antrag-
Annahme-Gesellschaft“. Da ferner jede „Rechtsklage“ eine „Forderung
aus gleich gerichtetem Rechtsweisungs- bzw. -abweisungs-Befehle“ dar-
stellt, ergibt sich auch mit jeder „Rechtsverfahren- Gesellschaft“ als
„Fügsamkeits-Gesellschaft“ zwischen dem Rechtskläger und dem Rechts-
weiser bzw. -abweiser eine Gehorsamkeits-Gesellschaft zwischen jenem,
der den „auf Rechtsweisung bzw. -abweisung gerichteten Befehl“ er-
teilt hat und dem „Rechtsweiser bzw. -abweiser“. „Allgemeine
Rechts-Gesellschafts- Wissenschaft“ nennen wir jene Wissen-
schaft, in welcher jene identischen Allgemeinen bestimmt werden,
durch welche die Beziehung „Rechts- Gesellschaft“ begründet wird
a
Sander, Allg, Gesellschaftslehre,