Das Wollen.
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eigenes Wollen, wenn auch ein künftiges Wollen, zum Ausdrucke
bringt, sagt er bereits: „Ich will“, wobei er aber der Bezeichnung des
besonderen gewollten Tuns die Bezeichnung eines späteren Zeitpunktes
hinzufügt. Deshalb sagt man sehr häufig: „Ich habe das gewollt“;
um ein früher der eigenen Seele zugehöriges Wollen zum Ausdrucke
zu bringen, aber fast niemals: „Ich werde das wollen“, weil man das
vorausgesehene eigene Wollen schon als ein gegenwärtiges eigenes
Wollen bezeichnet. Indes weiß zwar jeder, der Etwas tun will, daß
er es tun wird, aber nicht jeder, der weiß, daß er Etwas tun wird,
will es bereits in diesem Wissensaugenblicke tun, er kann vielmehr
auch nur wissen, daß ihm solches Wollen zugehörig sein wird. So
kann denn sowohl ‚jener, dem ein besonderes Wollen, als auch jener,
dem bloß die Voraussicht solchen besonderen eigenen Wollens zugehört,
sagen: „Ich werde das tun“, wodurch sich dann in ungenauer Rede
auch für den zweiten Fall die Rede: „Ich will das“, statt: „Ich werde
das wollen“, einstellt, Insbesondere stellt sich in jenem Falle, da einer
Seele Unlust zugehört und der Gedanke, daß sie durch Herbeiführung
eines zukünftig möglichen Ereignisses entgegengesetzte Lust gewinnen
werde, die Rede ein: „Ich will das tun“, als ob bereits ein gegen-
wärtiges Wollen vorläge. Fragen wir aber jemanden etwa: „Wollen
Sie den A anrufen?“ und jener antwortet mit „Ja“, so will er zum
Ausdruck bringen, daß er Etwas gegenwärtig Mögliches wolle, da er
sonst sagt: „Ja, aber erst um 5 Uhr, jetzt ist A. nicht zu Hause“,
woraus sich auch ergibt, daß mit dem bloßen Worte „Ich will“
sigentlich ein Seelenaugenblick bezeichnet wird, dem ein „Gedanke an
Zegenwärtig Mögliches“ zugehört. Wollte man einen Seelen-
augenblick, dem Unlust zugehört und der Gedanke, daß man durch
Herbeiführung eines künftig möglichen Erfolges entgegengesetzte Lust
gewinnen werde, als „Wollen“ betrachten, so gäbe es offenbar ein
„Wollen künftig möglichen Erfolges“ und ein „Wollen gegenwärtig
möglichen Erfolges“, Aber nur das „Wollen gegenwärtig möglichen
Wollens“ kommt überhaupt als wirkende Bedingung für eigene Leibes-
veränderung in Betracht, d. h. ausschließlich in einem solchen Seelen-
augenblicke kann die wirkende Bedingung in einer „Betätigung“ liegen,
während jener Seelenaugenblick, der etwa ein „Wollen künftig mög-
lichen Erfolges“ wäre, sich niemals in solcher Wirkensbezichung
Ändet, welcher Umstand auch darauf hindeutet, daß ein solcher Seelen-
augenblick noch kein „Wollen“ darstellt, jedes Wollen also ein
„Wollen gegenwärtig möglichen Erfolges“ ist. Gäbe es ein „Wollen
künftig möglichen Erfolges“, so würde überdies ein „Wollen“ vorliegen,
in dessen Gewußtem sich stets auch eine die jeweilige Zweckwirkung
ermöglichende, nicht bewirkende Veränderung fände, welche dem
eigenen Tun voranginge, da der derart Wollende stets solche Ver-