148
schenden Nationalökonomie richtiggestellt haben. Diese Frage ist
aber zu verneinen. Gerade die bedeutendsten orthodoxen Nationalöko-
nomen haben grundsätzlich die historische Betrachtung nicht ab-
gelehnt, wenn sie sie vielleicht auch nicht selbst angewendet haben.
Aber ist denn der „Wealth of Nation‘ nicht ein durch und durch
historisches Werk? Was verlangt man noch mehr an geschichtlichem
Material als es sich bei Malthus findet? Und haben die führenden
Methodologen der orthodoxen Nationalökonomie die Relativität der
Forschungsergebnisse, ihre Gebundenheit an bestimmte geschichtliche
Zustände der Wirtschaft nicht ausdrücklich anerkannt? So lesen wir
bei Mills: „Die deduktive Gesellschaftswissenschaft wird keinen Lehr-
satz aufstellen, der die Wirkung einer Ursache in einer universalen
Weise behauptet, aber (but ist hier besser mit‘ ‚sondern‘‘, statt mit
„aber“ zu übersetzen. W. S.) sie wird uns lehren, den geeigneten Lehr-
satz für die Umstände eines gegebenen Falles herzustellen. Sie wird
nicht die Gesetze der Gesellschaft im allgemeinen, sondern die Mittel
(an die Hand) geben, um die Erscheinungen einer gegebenen Ge-
sellschaft aus den besonderen Elementen der Daten dieser
Gesellschaft zu bestimmen‘. Ja — selbst die Grenznutzler trifft
der Vorwurf, unhistorisch zu sein, nicht. Menger widmet in seinen
„Untersuchungen“ das ganze zweite Buch dem Thema: „Über den
historischen Gesichtspunkt der Forschung in der Politischen Öko-
nomie‘. Er erkennt ausdrücklich an, daß jedenfalls für die reali-
stische Forschung, die „empirische Gesetze‘ suche, die Entwicklung
der wirtschaftlichen Erscheinungen einen „unleugbaren Einfluß“
habe: es ist klar, „daß empirische Gesetze, welche für bestimmte
Stadien der Existenz der bezüglichen Phänomene festgestellt wurden,
nicht notwendig für alle Phasen der Entwicklung ihre Geltung be-
haupten‘“®., Dafür werden Belege aus den — Naturwissensschaften
beigebracht. „Historische“ Betrachtungsweise und naturwissenschaft-
liches Denken schließen sich eben keineswegs aus. Aber selbst für
die „exakte“ Forschung soll der historische Wandel nicht ohne Be-
lang sein: „Die exakten Wissenschaften ignorieren . . . ebensowenig die
Tatsache der Entwicklung der Phänomene als das Postulat einer
8 J. St. Mill, Logik. Book VI. Ch. 9.
9 C. Menger, Untersuchungen usw. S. 107.