20 IIT. Die Voraussetzungen des Meistbegünstigungsanspruchs,
nusse des Vorteils, so kann er ihm wieder entzogen werden?, denn der
verpflichtete Staat hat dem berechtigten nur die Gleichbehandlung zu
gewähren, ohne sonst in seiner handelspolitischen Autonomie be-
schränkt zu sein. Dem steht nicht im Wege, daß der verpflichtete Staat
es unter Umständen für opportun halten kann, den Vorteil weiter zu ge-
währen*. So entzog z. B. auch Deutschland während des Krieges den
neutralen Staaten nicht die handelspolitischen Vorteile, die sie ursprüng-
lich aus den inzwischen erloschenen Handelsverträgen mit den Feind-
staaten herleiteten. Vgl. Bundesratsverordnung vom 10. Aug. 1914,
RGBI. 1914, S. 367. — Nach LEHR? kann ein Vorteil dem berechtigten
Staat nicht mehr entzogen werden, wenn er inzwischen Gegenstand
diplomatischer Verhandlungen geworden ist. Hier kommt es m. E. allein
darauf an, ob diese Verhandlungen zu einem Vertragsschluß geführt
haben. Daß der unsichere, auf Grund der Meistbegünstigungsklausel er-
langte Vorteil nachträglich vertraglich gebunden werden kann, ist aller-
dings selbstverständlich, Der Rechtstitel für diesen Vorteil ist dann aber
nicht mehr die Meistbegünstigungsklausel.
$ 7. Der „dritte“ Staat.
ı. Der Meistbegünstigungsanspruch bezieht sich nur auf die Be-
handlung, die der verpflichtete Staat dritten Nationen gewährt. — So
kann ein Staat, dem das Deutsche Reich die Meistbegünstigung ver-
sprach, selbstverständlich die zwischen den deutschen Ländern be-
stehende Zollfreiheit nicht für seine Einfuhr in das deutsche Zollgebiet
in Anspruch nehmen. — Ein Bundesstaat mit einheitlichem Zollgebiet
hat handelspolitisch den Charakter eines FEinheitsstaates. Die handels-
politischen Beziehungen der Gliedstaaten untereinander sind eine in-
terne Angelegenheit. Dies ist allgemein anerkannt 4.
Rechtliche Schwierigkeiten ergeben sich jedoch dann, wenn das Zoll-
gebiet sich mit der staatlichen Gebietskörperschaft nicht deckt. In Form
der Zollunion z. B. schließen sich mehrere Staatsgebietskörperschaften
zu einer neuen handelspolitischen Gebietskörperschaft zusammen).
* Visser: La Clause de la Nation la plus favoris6ge. Revue de Droit internatio-
nal 2° Serie IV. 1902. — Ferner SCHWEINFURTH: a. a. O. S, 28.
? Dies kann selbstverständlich auch besonders vereinbart werden. Es ist jedoch
nicht mehr die Vereinbarung der Meistbegünstigung. Vgl. die bei BASDEVANT:!
a. a. O. Nr. 92 angeführten Quellen.
% LEHR: Revue de Droit international, 1893, S. 314. VON TEUBERN: Die Meist-
begünstigungsklausel in den internationalen Handelsverträgen. Beiheft I zum
7. Bd. der Zeitschr. f, Völkerrecht u. Bundesstaatsrecht. Breslau 1913.
* Vgl. Bundesverf, von Australien 1900. Art. 88 u. 95 v. BATTAGLIA: 65; von
TEUBERN 29.
5 Ein Auseinanderfallen von Zollgebietskörperschaft und Staatsgebietskörper-
schaft haben auch die Zollanschlüsse bzw. -ausschlüsse zur Folge.