wobei der von der regulirenden Verwaltung vorweggetragene
Betrag von 5000 Thlr. erst nach Deckung der übrigen Bei
träge zur Erstattung kommt.
Die Vertretung der Gesammtheit wird durch einen Aus
schuß wahrgenommen, doch ist die Haftung dem Publicum
gegenüber immer an die zunächst vertretungspflichtige Eisen
bahn gebunden, während die Gesammthaftung.nur eine innere,
unter den Mitgliedern bestehende ist.
Diese Vereinbarung soll mit Beginn des Jahres 1872
in Wirksamkeit treten und läuft vorerst unkündbar drei Jahre
unter Stipulation stillschweigender Verlängerung auf je weitere
drei Jahre. Nach Ablauf der ersten drei Jahre kann jede
Verwaltung nach vorausgegangener halbjähriger Kündigung,
welche zu Anfang eines Kalenderjahres zu erfolgen hat, ans
der Gemeinschaft austreten.
Dies die wesentlichen Grundzüge dieser Angesichts des
Haftpflichtgesetzeö so wichtigen Vereinbarung, von der voraus
zusetzen ist, daß ihr alle Deutschen Privateisenbahnen beitreteu
werden.
Es läßt sich nicht läugneu, daß ein solches Abkommen,
falls man nicht einer der seit Kurzem bestehenden Unfall-Ver
sicherungs-Gesellschaften beizutreten geneigt ist, vorzüglich den
kleineren und mit geringeren Fonds ausgestatteten Bahnen die
Gefahr nimmt, bei großen Unfällen in ihrer Existenz er
schüttert oder doch in ihrer Lucrativität auf lange Zeiten hinaus
vernichtet oder geschmälert zu werden, während der, wenn
auch möglicherweise stetige, so doch in mäßigen Grenzen blei
bende jährliche Repartitionsbetrag eine weittragende Bedeutung
für den Bestand und die Entwickelung des Unternehmens selbst
nicht auszuüben vermögen wird. —
In Oesterreich, wo durch das Gesetz vom 5. März
1869 ebenfalls eine strengere Haftpflicht der Eisenbahnen für
Unfallobeschädigung der Personen eingeführt worden war, ist
nach Analogie der Vereinbarungen der Deutschen Privalbahneu
die Bildung eines ähnlichen Assecuranzvereines unter den
österreichischen Eisenbahnverwaltungen angeregt worden. Ein
Comite, bestehend aus Vertretern der Südbahn, Kaiser Fer
dinands-Nordbahn und Böhmischen Westbahn (v. Schreiner,
Dr. Kuh und Dr. Sochor), ist gewählt worden, um einen
Vertrags-Entwurf auszuarbeiten, wobei dem Vernehmen nach
auch eine gegenseitige Transportversicherung in'ö Auge ge
nommen werden soll. —
Diese nach dem amtlichen Organe des Deutschen Eisen
bahn -VerwaltungS- Vereins getroffenen Vereinbarungen über
gegenseitige Haftpflicht-Versicherung erstrecken sich nur auf die
Privat-Eisenbahnen des Deutschen Reichs. Ueber die von
den Staats-Eisenbahnen ergriffenen Maßregeln verlautete
bis jetzt noch nichts Näheres, doch läßt sich erwarten, daß
auch diese den Tendenzen des Haftpflichtgesetzes Genüge leisten
werden.
Weshalb die Staats-Eisenbahnen deu Privatbahneu
nicht mit gutem Beispiele in der Organisation der Einrich
tungen für Haftpflicht-Verbindlichkeiten vorangegangen, ist
nicht bekannt geworden. —
Aus Belgien verlautete kürzlich von dem Projette einer
internationalen Versicherungsanstalt für Eisenbahnunfälle.
Mau will nämlich eine Gesellschaft zur Versicherung von Per
sonen gegen Eisenbahnunfälle gründen, welche ihre Wirksam
keit über alle Länder der Erde ausdehnen soll. Die Ver
sicherungsgebühr soll 3 Centimes für jede Fahrkarte I. Klasse,
2 Cent, für eine Karte II. Klaffe und 1 Cent, für jede Karte
III. Klaffe und für jeden Frachtbrief betragen. Diese Ge
bühren sollen von den Eisenbahnkaffen eingehoben und an die
Gesellschaft abgeliefert werden, welche auch ein Kapital von
3 Mill. FrcS. aufzubringen gedenkt. Die Gesellschaft soll im
Falle des Todes eines Reisenden den Hinterbliebenen eine
Pension oder einmalige Abfertigung, bei vorkommenden Ver
wundungen, welche die Arbeitsunfähigkeit nach sich ziehen, eine
lebenslängliche Rente oder summarische Entschädigung gewähren,
und überdies sollen den Beamten jener Bahnen, auf welchen
im Laufe eines Jahres nur wenige oder gar keine Unglücks
fälle vorkommen, Prämien ertheilt werden.
Ob und welche reelle Grundlage das Project hat, ob es
überhaupt anöführbar sein wird, ist hier nicht weiter zu
untersuchen. —
3. Der Bergbau und die ihm verbundenen Produc-
tionsstätten haben Versicherungsanstalten, wie sie für sie die
geeignetsten sind, schon in den Knappschafts-Vereinen und
ähnlichen Selbsthilfs-Anstalten. In Bezug auf die Haftpflicht
sönne» diese ohne wesentliche Aenderungen ihrer Grundver-
faffung als Gegenseitigkeits-Versicherungs-Anstalten auftreten.
Daß es hiezu bedeutender und wesentlicher Reformen, na
mentlich abgesonderter Institute bedarf, ist weder geboten, noch
zweckmäßig, den am meisten interessirten Arbeiterklassen
dienlich. Besonders die den Knappschaftsvereinen angehörigen
Arbeiter haben das entscheidendste Interesse, ihre Haftpflicht-
Ansprüche nicht von diesen Instituten zu trennen, da diese
Trennung ihnen das sehr werthvolle Privilegium (deö § 173
des Allg. Berggesetzes vom 24. Juni 1865 und analoger
Bestimmungen der Bergordnungen oder bezüglicher Special
gesetze über Bruderladen k.), des Schutzes gegen Arre st schlag
für ihre ^Haftpflicht-Ansprüche entzieht. Das Gesetz vom 7.
Juni 1871 kennt dies Privilegium nicht, eine Verletzung des
Princips, das doch erst kürzlich, in dem Gesetze vom 21.
Juni 1869 über Aufhebung der Lohnarreste, in Deutschland
seine schwererrungene allgemeine Anerkennung zum Besten der
Arbeiterklassen gefunden, in Oesterreich schon nach § 207
des Berggesetzes vom 23. Mai 1854 bestanden hat.
Es wird sich nun fragen, in welcher Weise die Haft
pflichtverbindlichkeiten von den Knappschaftsvereinen zu erledi
gen sind, ob es namentlich dazu einer Erhöhung der statuten
mäßigen Leistungen dieser Vereine bedarf. Wer Einsicht ge
nommen hat von den neueren Statuten der Knappschafts-
Vereine,*) muß sich überzeugen, daß in denselben bereits
Vorsorge für Pernnglückungsfälle getroffen ist, wie cs nur
irgend in der Tendenz deS Haflpflichtgesetzes gelegen haben
kann, wenigstens soweit es sich um Renten handelt für
Erwerbsunfähigkeit der Verunglückten und für Alimentation
der nächsten Angehörigen.
Die Reorganisation der Knappschaftövereine würde hier
nach besonders folgende Punkte in's Auge zu faffen haben:
a. Bei jeder Knappschaftskaffe wird ein Separat-Con to
für angezeigte HaftpfiichtfäUe angelegt und geführt, mit
dem Zwecke, liquide zu erhalten, welche Leistungen die Kaffe
auf Grund des Haftpflichtgcsetzes realisirt hat.
b. Diese Leistungen erfolgen vorläusig aus den Fonds,
*) Man vergl. z. B. das Statut des Oberschlesischen Knapp-
schaftö-Vereins, oberbergamtlich bestätigt d. d. Breslau, 6. December
1869, §§ 16. 41. ff. über freie Kur und Arznei; § 19. 20. 41. über
Krankengeld (Krankenlohn), das im Falle der Beschädigung bei der Arbeit
6 bis 18 Sgr. für verheirathete, 5 bis 13 V 2 Sgr. für unverheirathete
Arbeiter pro Tag beträgt; § 21. ff. 41. über Jnvalidenlöhne? welche in den
ordentlichen Sätzen, je nach dem Dienstalter, von l Thlr. 8 Sgr. bis
11 Thlr. monatlich steigen und bei Unfalls-Invalidität um ein Dienst
alter von 15 Jahren, d. i. um 40 bis 100 Procent im umgekehrten Ver
hältniß zum wirklichen Dienstalter erhöht werden. In gleich humanlibe-
raler Weise ist die Haftpflicht bezüglich der Wittwen und Waisen der
Verunglückten (§§ 23. 26. 28. 29. 33. 34. 41. 42.) anerkannt.
Ebenso vergl. über den Märkischen Knappsckaftsverein zu Bochum
die neuesten Statuten-, resp. Leistungs-Aenderungen „Glückaufs 1871. Nr. 50.