Sechstes Kapitel. Die Entwicklung der römischen Weltwirtschaft. 93
frei erklärten, bis es im 1. Jahrhundert v. CH. eine römische
Provinz wurde. Es verfiel nun, wie soviel Städte seiner Zeit,
schon Plinius weiß nichts mehr von dem früher so bedeutenden
Silphionhandel (Naturgeschichte XIX 3,15). Unter Kaiser Trajan
kam es zu einem Kampf zwischen Juden und den ansässigen Griechen
und Römern (Dio Cassius LVIH, 32), der mit dazu beitrug, die
Entvölkerung zu beschleunigen. Von da ab ist Kyrene das typische
Bild der verfallenden Grenzstadt. Unglücksfälle, die ein lebens
kräftiges Volk ertragen hätte, übten eine vernichtende Wirkung,
die Widerstandskraft gegen die Wüstenstämme sank, und der Unter
gang kam, als sich die römische Herrschaft ihrem Ende zuneigte,
Rom vermochte das Erbe des Hellenismus nicht dauernd zu be
wahren.
Sechstes Kapitel.
Die Entwicklung der römischen Weltwirtschaft.
(Vis Ende des 1. Jahrhunderts v. Chr.)
Die Kriegskunst ist ein Teil der Erwerbskunst.
Aristoteles, PolitikI, 3, 8.
Es ist schon Autoren des Altertums aufgefallen, daß der Handel
bereits in frühen Zeiten der römischen Geschichte eine Rolle spielte
(Plutarch, Erörterungen über römische Gebräuche 41). Dies rührt
daher, daß wir Rom erst in einem weit späteren Stadium als
Griechenland oder gar den Orient aus der Überlieferung kennen.
Dabei hat sich in Rom die Bedeutung der agrarischen Kreise ver
hältnismäßig lange erhalten. Die Verbindung dieser beiden Ent
wicklungen, der agrarischen und der geldwirtschaftlichen, hat zum
Teil Roms Entwicklung bestimmt. Der Ackerbau Roms ist nicht
in handelspolitischer Richtung bedeutsam geworden, sondern da
durch, daß die römischen Bauern lange eine der besten Armeen
der damaligen Welt stellen konnten. Diese militärische Übermacht
hat die wirtschaftliche begründet, und was die Bauern begonnen
hatten, wurde später durch Proletarier und Söldner vollendet.
Diese militärische Macht bewirkte es auch zum Teil, daß sich Rom
selbst nie zu einem Industriezentrum ersten Ranges wie so viele
griechische und hellenistische Städte entwickelte. Die Einnahmen
aus den eroberten Provinzen, aus den Geldgeschäften sowie die
direkten Lieferungen ermöglichten es Rom, dauernd eine negative
Handelsbilanz haben zu können. Durch Waren zahlte Rom nur