Ägypter, Giroverkehr in Naturalien.
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sprüche hatte. Die ganze Beamtenschaft, welche die Hauptstütze
des Staates bildete, stand ebenso wie die Königsfamilie beim
Herrscher in voller Naturalverpflegung, die durch einen umfang
reichen Verrechnungsapparat in Ordnung gehalten wurde. Nach
den erhaltenen Dokumenten sah ein Detailposten etwa folgender
maßen aus. Brote Krüge Bier usw.
Königin .... 10 2
Prinzessin ... 10 1
Haremsdame . . 20 2
Leibgardeosfizier . 20 2
Richter .... 10 1
Beamte mit Dienerschaft erhielten für diese ebenfalls die volle
Naturalverpflegung. Unter diesen Umständen spielte der markt
mäßige Tausch von Ware gegen Ware eine untergeordnete Rolle.
Nur ein kleiner Teil der Bevölkerung, der keiner Organisation
angehörte, mag auf den Tauschhandel angewiesen gewesen sein,
etwa ein paar Hirtenstämme und die nicht sehr zahlreichen fremden
Kaufleute. Daß aber für diesen geringfügigen Marktverkehr der
Tausch ausreichte, beweisen die Tauschszenen auf den erhaltenen
Grabgemälden. Fand der Kuchenhändler, daß die vom Käufer an
gebotene Halskette nicht ausreichte, so fügte dieser eben noch eine
Sandale hinzu. Statt des marktmäßigen Tauschens wurde von
den Rentenberechtigten die Überweisung dieser Rente an Dritte
vorgenommen, wodurch der Kreis derer, die an dem Magazin
system Anteil hatten, bedeutend erweitert wurde. Hatte etwa ein
Mensch Anspruch auf eine Rente, bestehend aus Fleisch, Brot usw.,
und wünschte er, daß ein Tempel auf seinem Grabe regelmäßig
Opfer bringe, so überwies er der Priesterschaft eine Anzahl von
jenen Tagesrationen. Ähnlich verfuhren bei uns im Mittelalter
die Grundherren, welche die Naturalrente eines Bauerngutes
einer Kirche schenkten, damit diese Messen lesen lasse. Die Häufung
derartiger Überweisungen führte zu einer Art Giroverkehr in
Naturalien. Die Bildung größerer staatlicher Organisationen
wurde durch die Verhältnisse im Niltal gefördert, weil nur durch
planmäßiges Vorgehen die Kanal- und Dammanlagen erhalten wer
den konnten, welche die ungeheure Fruchtbarkeit des Landes garan
tierten. Überdies war die Fluktuation der Bezugsberechtigten ge
ring, da keine Tendenz zur Auswanderung bestand; die zahlreichen
Handwerker und Gewerbetreibenden waren wohl meist seßhaft,