956 Sektion VII: Die weltwirtschaftlichen Beziehungen Deutschlands.
muss um so mehr eintreten, je mehr überhaupt die Lebenshaltung steigt,
je mehr die in den Städten zusammenströmende ländliche Bevölkerung
von der billigen ländlichen zu der teureren städtischen Ernährung über
geht, je mehr auch Steuern und Zölle die Lebenshaltung verteuern, was
eine unzweifelhafte Folge des Krieges sein wird.*) Inwieweit
überhaupt eine Änderung der Ernährung der städtischen Bevölkerung
und damit sowohl ihrer Unterhaltungskosten wie ihrer Leistungsfähig
keit sich anbahnt, das zu erörtern, würde im Augenblick zu weit
führen.**)
IV.
Noch ein Punkt verdient hervorgehoben zu werden: In Japan wie
in China, viel stärker aber in letzterem Lande, hat sich in den letzten
zehn Jahren ein immer grösserer Überschuss der Einfuhrwerte, eine so
genannte passive Handelsbilanz, herausgestellt. Das ist um
so beachtenswerter, als in derselben Zeit die für ausländische Anleihen
jährlich zu deckenden Zinsverpflichtungen immer grösser, in Japan
allerdings erst durch den gegenwärtigen Krieg erheblich geworden sind.
Die Verpflichtungen Chinas an Zins- und Amortisationszahlungen wer
den für 1904 auf 45 Mill. Taels, ca. 130 Mill. Mark, geschätzt. Die Zins
verpflichtungen des japanischen Staates beliefen sich vor dem Kriege
auf höchstens 9 Mill. Yen, jetzt aber auf etwa 46 Millionen, 96 Millionen
Mark. Japan hat vor dem Kriege seinen Einfuhrüberschuss mit dem Erlös
der chinesischen Kriegsentschädigung und mit verhältnismässig unbe
deutenden Staatsanleihen bezahlt. Das war insofern unbedenklich, als
die Einfuhr zu einem grossen Teile der Stärkung der Produktionskraft
des Landes diente.
In China ist die Lage bedenklicher, da die Verschuldung durch po
litische Ereignisse (Krieg mit Japan, nordchinesische Wirren) entstanden
ist, der wirtschaftlichen Stärkung des Landes also nicht gedient hat.
Es ist für die zukünftigen Finanz- wie Handelsverhältnisse eine über
aus wichtige Frage, wie jene Länder ihre Zahlungen balancieren. Denn
zu jenen Zinsverpflichtungen kommt noch der Erwerb ausländischer
Unternehmer im Inlande. Ist das bei Japan bisher nicht sehr erheblich,
so wird es in China immer wichtiger werden. Eisenbahn- und Bergbau
gesellschaften geben jetzt grosse Summen im Lande aus, erwarten dann
aber entsprechende Gewinne. Ich will auf das Einzelne nicht weiter des
*) Schon 1903 waren die Preise der wichtigsten Lebens- und Genussmittel mehr
als doppelt so hoch, wie Ende der achtziger Jahre, die Löhne 2 bis 3 mal so hoch.
**) Die Zahl der geschlachteten Rinder war 1890: 76 918, 1902: 196 909 (ohne
Formosa).