Full text: Stenographischer Bericht über die Versammlung vom 12. Juni 1909 im Zirkus Schumann zu Berlin betreffend Reichsfinanz-Reform und Gründung des Hansa-Bundes

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immer für den rocher de bronce einer vaterländisch-nationalen 
Gesinnung und Politik hielt, zum Feinde übergehen, nur um 
gemeinsam mit diesem Steuern zu erfinden und zu dekretieren, 
die ihren eigenen Besitz nicht treffen und die andere für sie 
zahlen sollen. (Sehr wahr.) Es scheint, sie machen sich noch 
garnicht klar, dass sie dadurch die Axt an die Wurzel der 
Steuerkraft legen, dass sie durch diese neue Koalition den 
Wohlstand und die Machtstellung ihres Vaterlandes aufs Spiel 
setzen, dass sie dadurch denselben Reichskanzler und dieselbe 
Regierung im Stich lassen, die für die letzten Reichstagswahlen 
die nationale Parole ausgegeben haben. 
Es ist an und für sich nicht die Aufgabe guter Staats 
bürger, zu denen wir uns rechnen, den gesetzgebenden Faktoren 
in die Zügel zu fallen; aber als gute Patrioten haben wir die 
Pflicht, uns zur Abwehr zu vereinigen, wenn wir sehen, dass 
nicht nur unsere vitalsten Interessen, sondern zugleich die Wohl 
fahrt des Reichs in Gefahr gerät, den höchst egoistischen Be 
strebungen einer neuen Reichstagsmajorität zum Opfer zu fallen. 
(Beifall.) 
Auch wir wünschen sehnlichst, die Reichsfinanzreform jetzt 
endlich durchgeführt zu sehen; wir sind sogar die Ersten ge 
wesen, die auf die den Reichsfinanzen drohende Misere hin 
gewiesen haben. Schon im Jahre 1907 verlangte z. B. die! 
Hamburger Handelskammer in ihrem Jahresbericht, dass nicht] 
immer nur neue Ausgaben bewilligt werden dürfen, sondern' 
dass endlich auch ausgiebige neue Steuern geschaffen werden 
mussten, um der wachsenden Verschuldung des Reiches vor 
zubeugen. 
Industrie, Handel und Gewerbe sind bereit, Opfer an allen 
Ecken und Enden zu bringen, und sie weigern sich nicht, wenn 
es sein muss, auch ihren Besitz nochmals vom Reich besteuern 
zu lassen, obschon sie es sind, die schon heute den bei weitem 
grössten Teil der direkten Steuern in Deutschland aufbringen. 
(Sehr wahr!) 
Aber was wir von allen direkten Steuern, auch von den 
Besitzsteuern unbedingt verlangen, sind zwei Eigenschaften: 
sie dürfen das Steuerobjekt nicht derartig schwächen, dass es 
seine Steuerkraft verliert, und sie müssen gleichmässig den 
Besitz aller Reichsangehörigen treffen. (Lebhafter Beifall.) 
Die neuerdings in der Finanzkommission des Reichtags er 
fundenen und kurzerhand beschlossenen Steuern erfüllen nicht 
einmal diese beiden Vorbedingungen. Sie sind auch nur inso 
fern Besitzsteuern, als sie die ganz bestimmten Kreise, auf 
die sie gemünzt sind, wenn sie etwas besessen haben, um 
ihren Erwerb und um diesen ihren Besitz zu bringen geeignet 
sind. In der Tat sind es Umsatz- und Verkehrssteuern der 
allergeiährlichsten Art. Wie verderblich, ja geradezu ver 
nichtend sie auf weite Erwerbskreise, die allerdings der neuen 
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