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Viehwirtschaft ersetzt hatte. Mit dem Aufhören der Viehwirtschaft sind
die neurussischen Landwirte zur Körnerwirtschaft übergegangen. Ab
gesehen von allen äusseren, natürlichen Verhältnissen, die sich in den
grossen Flächen unbebauten Landes, in der reichen Fruchtbarkeit des
Bodens, im Bestehen der extensiven Wirtschaft darstellen, ist es zunächst
das Streben nach einer Produktion für den Markt, das zur Körner
wirtschaft geführt hat. Durch dieses Streben nach Marktproduktion
werden auch die Flächen des Ackerfeldes und Saatfeldes, der Umfang
des Absatzes von Bodenprodukten und überhaupt die ganze Richtung
der gutsherrlichen Wirtschaft bedingt. Betrachten wir die gutsherrliche
Wirtschaft als eine für den Markt produzierende und durch kaufmännisches
Streben geleitete Wirtschaft, so tritt jener «reinrationalistische Geist», von
dem wir schon gesprochen haben, noch viel deutlicher hervor. 1 ) Es ist
die fortwährend steigende Zunahme des Ackerfeldes und auf diesem die
des Saatfeldes, die das charakteristische Merkmal der neurussischen
Gutswirtschaft ausmachen. Die neurussischen Gouvernements dienen
als «Kornkammer», die das Getreide in grossem Masse für industrielle
und dichtbevölkerte Gouvernements hersteilen. Es ist die grosse Produk
tivität der Arbeit und die geringen Produktionskosten, welche die Folgen
der extensiven Wirtschaft sind, die den neurussischen Ackerbau besonders
günstig beeinflussen, indem sie den Gutsherrn die hohen Bodenrenten
ermöglichen. Dazu kommt zunächst eine besonders günstige geographische
Lage und die in Neurussland bestehenden, sehr günstigen Eisenbahn
tarife. Es ist also ganz klar, dass unter solchen höchst günstigen Ver
hältnissen das ganze Bestreben der gutsherrlichen Wirtschaft sich auf
Erzielung des grösstmöglichsten Absatzes von Produkten richtet. Es
erklärt sich also ganz von selbst, dass der Markt und alles, was auf
dem Markte vorgeht, für die Richtung der Getreideproduktion in der
gutsherrlichen Wirtschaft für die Betriebsverhältnisse in der südrussischen
Landwirtschaft überhaupt massgebend sind.
Wenden wir uns jetzt der Verteilung des Ackers in der guts
herrlichen Wirtschaft zu. — Im Jahre 1881 betrug die Fläche des Acker
feldes in der gutsherrlichen Wirtschaft 6 709 130 Dess. oder 42,1 Prozent
des gesamten kulturfähigen Bodens. Im Jahre 1901 stieg diese Fläche
auf 8 556 993 Dess., was im Vergleich mit der im Jahre 1881 eine
Zunahme um 33,5 Prozent bedeutet. Besteht schon dank einer solch
grossen Fläche des Ackerfeldes eine grosse Nachfrage nach Arbeits
kräften, so wird diese Nachfrage noch viel grösser, da das Saatfeld
0 Vgl. Settegast, Die Landwirtschaft und ihr Betrieb, S. 86,