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II.' Teil. Arbeiterwohlfahrtspolitik.
§ 2. Die Arbeitslosigkeit. In diesem Zusammenhänge interessiert
nur der Teil der Arbeitslosigkeit, der zurückzuführen ist auf die Ein
wirkung der allgemeinen wirtschaftlichen Verhältnisse. Diese Ein
wirkung kann sich darin äußern, daß gegenüber den verfügbaren
Arbeitskräften die Arbeitsgelegenheiten, wie sie sich aus dem Stande
der Produktion des Landes ergeben, nicht völlig ausreichen, daß also
ständig für einen überschüssigen Teil der Arbeiter ein Mangel an
Arbeitsgelegenheit besteht. Die Einwirkung kann aber auch darin
zu Tage treten, daß der wechselnde Gang des Wirtschaftslebens das
Ausmaß der Arbeitsgelegenheit bald einschränkt, bald ausdehnt.
Zwischen beiden Gruppen stehen diejenigen, welche deshalb zeitweilig
arbeitslos werden, weil ihr Beruf überhaupt nur in bestimmten Zeiten des
Jahres eine Tätigkeit erlaubt oder — wie die Landwirtschaft — in
den einzelnen Abschnitten des Jahres einen sehr verschiedenen Bedarf
an Arbeitskräften hat.
Die sonstigen Gründe der Arbeitslosigkeit — wie Arbeitsunfähig
keit durch Krankheit, Unfall, Invalidität und Alter, Streiks und Aus
sperrungen, Entlassung aus Gründen, die in dem persönlichen Verhalten
des Arbeiters liegen, freiwilliger Wechsel der Arbeitsstätte, des
•Arbeitsortes oder der Arbeitsart, freiwilliges Aufgeben der Berufs
arbeit überhaupt, Arbeitsscheu und dgl. — kommen hier nicht in
Betracht. Arbeitslosigkeit aus derartigen Gründen ist entweder selbst
gewollt oder selbstverschuldet oder in den bestehenden Zweigen der
Arbeiterversicherung berücksichtigt. Ganz anderen Charakter hat die
unverschuldete, den allgemeinen Verhältnissen entspringende unfrei
willige Arbeitslosigkeit arbeitswilliger und arbeitsfähiger Personen.
Die Zahl der Arbeitslosen dieser Art ist statistisch sehr schwer
zu erfassen, weil die Ermittelung der wahren Gründe der Arbeits
losigkeit großen Schwierigkeiten begegnet und auch wohl aus irrtüm
licher Aufassung über den Zweck statistischer Erhebungen von den
Befragten absichtlich vereitelt wird.
Der Umfang der in Frage kommenden Arbeitslosigkeit ist einem
ständigen Wechsel unterworfen. Die Statistik kann dem Wechsel nicht
unmittelbar folgen. Sie vermag nur ein Augenblicksbild, nur die Ver
hältnisse am Zählungstage festzustellen. Über die Verschiebungen
könnte nur eine fortlaufende Statistik der Arbeitlosen Auskunft geben.
Das läßt sich aber praktisch nicht ermöglichen. In regelmäßigen
kürzeren Zwischenräumen sind umfassende Erhebungen nicht durch
führbar. Die großen Statistiken bedürfen deshalb einer häufigen Er
gänzung durch örtlich oder beruflich begrenzte Erhebungen. Große
Schwierigkeiten macht auch die Dauer der Arbeitslosigkeit. Die auf
einen bestimmten Zeitpunkt beschränkte umfassende statistische Auf
nahme kann zwar die bis zum Zählungstage abgelaufene Dauer