Full text: Die Steigerung der Produktivität der deutschen Landwirtschaft im neunzehnten Jahrhundert

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Die Steigerung der Fleischerzeugung. 
Nachdem wir so die Entwickelung der einzelnen Zweige der land 
wirtschaftlichen Tierzucht verfolgt haben, wollen wir versuchen, die ganze 
Prägnanz dieser Entwickelung in eine ziffernmäßige Darstellung des Wachs 
tums der Gesamtproduktion an Fleisch zusammenzufassen. Um zu wissen, 
wieviel Fleisch in einem Lande von der einheimischen Landwirtschaft 
jährlich erzeugt wird, muß man zwei Dinge genau kennen: die Zahl der 
geschlachteten einheimischen Tiere und ihr wirkliches Fleischgewicht; aber 
weder über das eine noch über das andere haben wir bis jetzt irgendwo 
allgemeine statistische Erhebungen. Wäre das neue Fleischbeschaugesetz 
in Deutschland auch auf die Hausschlachtungen ausgedehnt worden, so 
würde es gegenwärtig ein leichtes sein, mit Hilfe der mit der Fleisch 
beschau zu verbindenden statistischen Notierungen wenigstens die Zahl der 
jährlich geschlachteten und in den Konsum gelangenden Tiere genau fest 
zustellen. Unter den bestehenden Verhältnissen aber und insbesondere für 
die Vergangenheit bilden die Viehzählungen in Verbindung mit allgemeinen 
Beobachtungen in den städtischen Schlacht- und Viehhöfen unsere einzige 
Grundlage. Auf dieser Grundlage sind bereits mehrere Fleischproduktions- 
berechmuigeu ausgeführt worden. So hat z. B. Martin 1 ) berechnet, dass 
im Königreich Sachsen die einheimische Landwirtschaft die Erzeugung von 
Fleisch in den 60 Jahren von 1835—1894 um 463 °/ 0 gesteigert hat. Für 
Deutschland hat Lichtenfeit 2 ) nach der Viehzählung von 1892 und dem 
Konsum einzelner Städte einen durchschnittlichen Fleischverbrauch von 
39,9 kg pro Kopf festgestellt. Wie aber schon Huckert 3 ) nachgewiesen hat, 
haften der Lichtenfeltschen Berechnung erhebliche Mängel an; im ganzen 
dürfte der Konsum zu niedrig sein. Huckert selbst berechnet aus den 
Viehzählungen von 1873 und 1892 die Steigerung der einheimischen Fleisch 
produktion Deutschlands während dieser 20 Jahre auf 74,7 %, v. d. Goltz 4 ) 
dagegen konstatiert für den gleichen Zeitraum nur ein Wachstum von 20 %. 
Diese starke Differenz erklärt sich hauptsächlich daraus, dass v. d. Goltz 
nur das Wachstum der Viehzahl an sich und die Steigerung des Lebend 
gewichts der Einzeltiere in Eechnung gestellt und für die Reduktion aller 
Vieharten auf Kindvieh die alten Zahlen benutzt hat, welche das Verhältnis 
der einzelnen Tierarten zueinander nach dem Futterbedürfnis derselben 
ausdrücken. Huckert weist dagegen darauf hin, daß man bei einer 
Fleischberechnung diese Reduktion nicht nach dem Futterbedürfnis der 
Tiere, sondern nach dem Verhältnis der Fleischmenge ausführen müsse, 
welche die einzelnen Tierarten im Durchschnitt liefern. Weiterhin betont 
er, dass der Prozentsatz der Tiere, die jährlich geschlachtet werden, nicht 
1) Die Fleisehversorgung Sachsens; Jahrb. für Nat. u. Stat. 1896, Bel. 66. 
2 ) Der Verbrauch von Fleisch im Deutschen Beiche; Landw. Jahrbücher 1897 
26. Band. 
3 ) Zur Geschichte und Statistik des Fleischkonsums in Deutschland; Zeitschr. für 
Sozialwissenschaft, III. Jahrg. 1900. 
4 ) Die agrarischen Aufgaben der Gegenwart. Jena 1894.
	        
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