Full text: Die Steigerung der Produktivität der deutschen Landwirtschaft im neunzehnten Jahrhundert

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hatten, sich mit landwirtschaftlichen Dingen abzugeben, begannen nun ein 
grosses Interesse für die Landwirtschaft an den Tag zu legen. Die Folge 
war die Bildung einer Reihe von Vereinen, „ökonomischen Gesellschaften“, 1 ) 
welche Landwirte, Gelehrte und Staatsmänner in sich vereinigten und sich 
die Hebung und Pflege der Landwirtschaft zur Aufgabe machten. Auch 
die Könige und Fürsten der damaligen Zeit zeigten sich von den besten 
Absichten für das Wohl der Landwirtschaft beseelt. Bekannt ist die 
Fürsorge, welche Friedrich II., Maria Theresia, Joseph n. der Landwirt 
schaft und dem Bauernstände gewidmet haben. 
Trotz dieser ganzen Reg- und Strebsamkeit waren aber die erzielten 
Erfolge nicht von durchschlagender Art. Der Hang am Alten, die Furcht, 
durch die Neuerungen wirkliche oder vermeintliche Vorteile aufgehen zu 
müssen, waren noch zu gross, um ein allgemeines einheitliches Vorgehen 
zu ermöglichen. Viele Privilegien und Missbrauche hatten auch zu lange 
geherrscht, um nicht schliesslich als natürlich und gerecht empfunden und 
verteidigt zu werden; viele Vorurteile waren zu tief eingewurzelt, um 
schnell und leicht besiegt zu werden. Vor allem waren es die agrar 
rechtlichen, die gutsherrlich-bäuerlichen Verhältnisse, deren Regulierung 
auf hartnäckigen Widerstand und die grössten Schwierigkeiten stiess. Erst 
der Sturm der französischen Revolution und die Not der napoleonischen 
Kriege haben hier Wandel geschaffen und die nötige Bereitwilligkeit zur 
Durchführung der unabweisbaren Reformen erzeugt; es folgte in Preussen, 
dessen Agrarverhältnisse am rückständigsten waren, die Stein-Harden- 
bergsche Gesetzgebung, der sich in vielen Stücken auch die übrigen 
Staaten anschlossen. 
Nachdem durch diese Gesetzgebung die Bahn für den technischen Fort 
schritt frei gemacht war, wurde dieser selbst kräftig in die Wege geleitet. 
Besonders waren es zwei Männer, welche auf die Neugestaltung und Ver 
besserung des landwirtschaftlichen Betriebes den grössten Einfluss aus 
geübt haben: am Rhein und in Süddeutschland Job. Nep. Schwerz und 
in Norddeutschland Alb recht Thaer. Letzterer war es auch, welcher 
aus der Fülle seiner praktischen Erfahrung und wissenschaftlichen Durch 
bildung die Landwirtschaftslehre, welche bis dahin von seiten der meist 
praktisch ungeschulten Kameralisten nur eine kümmerliche Pflege erfahren 
hatte, zu einem System ausbaute und zu einer selbständigen Wissenschaft 
erhob. Seine „Grundsätze der rationellen Landwirtschaft“ sind ein halbes 
Jahrhundert lang für die ganze landwirtschaftliche Praxis massgebend 
gewesen und sind im Gebiete der allgemeinen Wirtschaftslehre auch heute 
noch nicht veraltet. 
Der Übergang des 18. in das 19. Jahrhundert bedeutet somit für 
die deutsche Landwirtschaft den Anbruch einer neuen Epoche und ist 
1 ) Genannt seien: die Leipziger ökonomische Sozietät, die landwirtschaftliche 
Gesellschaft zu Celle, die physikalisch-ökonomische Sozietät zu Lautern, die kurbayrische 
Landesökonomiegesellschaft in Oberbayern, die patriotische Gesellschaft in Schlesien zu 
Breslau, die ökonomische Sozietät zu Potsdam etc.
	        
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