Full text: Die deutsche Volkswirthschaft und der Weltmarkt

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in die Tasche gesteckt. Wie schon oben aufgeführt, trifft nämlich 
die Vermehrung des Viehstandes der bäuerlichen Betriebe meist 
mit dem Rückgang der Erträge der wichtigsten Futterpflanzen zu 
sammen, so dass der Bauer darauf angewiesen ist, sehr viel Kraftfutter 
zuzukaufen. Da nun bei rasch wachsender Nachfrage die Preise der 
sämmtlichen Kraftfuttermittel aufeinander einwirken, so bewirkt die 
durch den Getreidezoll herbeigeführte Preiserhöhung der zu Futter 
zwecken benutzten Getreidesorten gleichzeitig eine Preissteigerung 
für alle übrigen Kraftfuttermittel, wie Kleie, Malzkeime, Oelkuchen 
u. s. w. Der deutsche Bauer ist also bei der bisherigen Zoll 
politik sehr schlecht weggekommen, denn einerseits ist das 
Schwergewicht der Schutzzollgesetzgebung auf Getreide gelegt, 
welches der Bauer im grossen und ganzen wenig oder gar nicht ver 
kauft, und andererseits sind die Vieh- und Fleischzölle nicht den 
bäuerlichen Viehproduzenten zu Gute gekommen, sondern neben dem 
Getreidezoll ebenfalls in die Kasse des Grossgrundbesitzers geflossen. 
Es erübrigt nur noch, den Einfluss der Getreidezölle auf Wirkung 
die übrigen Produktionszweige kurz zu kennzeichnen. Zu- z ai| e e a „f d te 
nächst sinkt mit der durch sie hervorgerufenen Verteuerung der «*>rigen 
^ & Produktions- 
Lebensmittel nicht nur die Lebenshaltung des Volkes und damit zweige, 
zum Theil die Leistungsfähigkeit des deutschen Arbeiters, 
sondern gleichzeitig auch die Kaufkraft des inneren Marktes 
für alle anderen Produkte. Denn Brot und Mehl machen einen so er 
heblichen Bruchtheil des Gesammtaufwandes kleiner Haushaltungen 
aus, dass eine fühlbare Erhöhung der Preise für diese Artikel eine Ein 
schränkung des Konsums an anderen Waaren zur Folge haben muss. 
Prof. Lotz hat berechnet, dass bei einem Haushaltungsbudget von 
800—1300 M. ungefähr 150—200 M. jährlich auf Brot und Fleisch ent 
fallen. Bedenkt man nun, dass über % der deutschen Bevölkerung 
ein Einkommen bis 900 M. jährlich haben und 96% nicht über 3000 M. 
jährlich kommen, so leuchtet ein, dass die wirklich etwa gesteigerte 
Kaufkraft gewisser landwirthschaftlicher Schichten durch die be 
schränkte Kaufkraft namentlich der industriellen Arbeiterschaft reich 
lich wett gemacht wird. Unter anderem wird gerade'der kleine und 
mittlere Bauernstand in der Nähe städtischer Industriecentren 
schweren Nachtheil hiervon haben; denn auch für die meisten der 
jenigen Artikel, welche er auf den städtischen Markt bringt, wie 
Eier, Gemüse, Geflügel, Obst, Butter und dergl. wird die Arbeiter-
	        
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