Full text: Der Zusammenbruch des Marxismus

Karl Marr hat den Kapitalismus wissenschaftlich 
dargestellt. Er sagt einmal von Balzac, der Mann sei 
dadurch so besonders merkwürdig, daß er dichterisch 
eine Welt geschildert habe, nämlich die kapitalistische, 
die es eigentlich zu seiner Zeit noch gar nicht gegeben 
habe. Dasselbe kann man von Marx wissenschaftlich 
sagen. Er hat wissenschaftlich etwas dargestellt, was 
es gar nicht gab: auch der Kapitalismus ist eine Idee. 
Das muß man sich klarmachen, wenn man den Kapi 
talismus, wie es heißt, „bekämpfen" will: d. h. man 
muß nicht selber der Idee unterliegen. Marx unterliegt 
ihr, die gesamte Sozialdemokratie unterliegt ihr, undder 
wildeste Bolschewismus ist im Grunde gar nicht revolu 
tionär, denn er glaubt ja immer an die Realität des 
Kapitalismus. Man muß, wenn man ihn bekämpfen 
will, die Fähigkeit in sich entwickeln, die eigentümliche 
Wechselwirkung von Idee und Wirklichkeit zu durch 
schauen; das heißt, man darf nicht ein treuherziger Ge 
lehrter sein, der naiv dem Boden vertraut, auf dem er 
steht. Der Marxismus war erst möglich als Ergebnis 
des Zusammenbruchs unserer Philosophie, als die 
Menschen Furcht vor dem höheren Denken hatten, dem 
Denken, das damit beginnt, seine eigenen Voraus 
setzungen zu untersuchen, als sie mit beiden Füßen in 
den dümmsten Materialismus sprangen; er war erst 
möglich als Ergebnis des Zusammenbruchs unserer 
Dichtung, als die Menschen den Glauben an die hö 
here Welt der Idee verloren hatten und sich nur noch 
an die sogenannte Wirklichkeit halten wollten: an was
	        
Waiting...

Note to user

Dear user,

In response to current developments in the web technology used by the Goobi viewer, the software no longer supports your browser.

Please use one of the following browsers to display this page correctly.

Thank you.