42 2. Abschnitt. Grundlegung u. Ausbau der Sozial- u. Wirtschaftspolitik.
oder Danzig und Königsberg. Die Rivalität löst sich sofort ans, wenn die Inter
essenten die Errichtung kaufmännischer Hochschulkurse selbständig in die Hand
nehmen. Solche kann und soll jede größere Handelsstadt, etwa in Verbindung mit
der Handelskammer, aus eigenen Mitteln organisieren. Die für die Kostendeckung
erforderliche Frequenz ergibt sich, wie der steigende Besuch in Mannheim, Hamburg
it. a. O. zeigt, sofort, zumal erfahrungsgemäß Beamte der Staats- und Gemeinde
verwaltung, selbständige Kaufleute und Fabrikanten, Ingenieure, Aerzte, Lehrer u. a.
sich an den Kursen, seminaristischen Uebungen, Diskussionsabenden u. s. s. zahlreich
und gerne beteiligen.
c) Kleinhandel.
Von den 60er Jahren an, zumal nach der Einführung der Gewerbefreiheit,
nahm auch für den Kleinhandel der Existenzkampf eine bedrohliche Wendung an.
Noch bis in die 50er Jahre wies er in der Hauptsache nur fünferlei Geschäfte auf,
nämlich die für die Landesprodukte, Kolonial-, Schnitt-, Eisen- und Glaswaren, in
den größeren Städten auch für Papierwaren. In wenigen Jahren, zumal mit der
Einführung der Gewerbesreiheit, bildeten sich, ähnlich wie beim Handwerk, drei ver
schiedenartige Schichten aus: eine Unterschicht (der kleinen Minderkaufleute, Viktualien
händler li. s. f.), eine Mittelschicht und eine Oberschicht mit großkapitalistischem Zu
schnitt. Daneben kamen noch Dutzende neuer Geschäfts- und Vertriebsarten und die
nicht ortsansässige, von auswärts hereinkommende Konkurrenz auf; noch gefährlicher
wurde der Schwarm der „Ungelernten". Mitte des vorigen Jahrhunderts, wo noch
die lokale Gebundenheit des Kleinvertriebs vorherrschte, war dies in der Hauptsache
der Hausierhandel alten Stils und das Meßgeschäst^). In den 60er Jahren gingen
die Jahrmärkte sichtlich zurück; dagegen kam das Reise- und Filialgeschäft empor
und breiteten sich die Konsumvereine aus. Zugleich erhöhte sich die Zahl der
Hausierer seit I860 um das Zehnfache; seit Jahrzehnten wird der Kleinhandelsstand
nicht müde, über die Bedrängnis durch die auswärtige Konkurrenz (d. h. über die
Hausierer) lebhafte Klage zu führen.
Früher hatte das Kleindetailgeschäft einen zuverlässigen Kundenkreis und einen
feststehenden Jahresumsatz; nunmehr wurde diese Grundlage der gesicherten Existenz
mehr und mehr erschüttert. Mit der Verkehrserleichterung und dem Anwachsen der
Großstädte stiegen auch in allen Ständen die Ansprüche an die Lebenshaltung, wo
durch das Publikum wohl im Geschmack verfeinert, aber auch zugleich verwöhnt
wurde; auch im abgelegenen Dorf wird heute reichere Auswahl, feinere Ausstattung
und, wenn irgend möglich, bessere Qualität der Ware bei gleichen Preisen verlangt.
Die Klagen richteten sich zuerst gegen die kleine, vielköpfige Konkurrenz. Von
den 70er Jahren ab breiteten sich die gefährlichen, großkapitalistischen
Konkurrenten aus, und zwar zuerst die Wanderlager, die sich schon Ende der
30er Jahre gezeigt hatten, und die Abzahlungsgeschäfte, seit den 80er Jahren die
*) Mit Einführung der Gewerbefreiheit gingen einesteils verschiedene Handwerker, frei
willig oder gezwungen, dazu über, ausschließlich oder neben ihrem Betrieb ein Ladengeschäft zu
führen, — z. B. Buchbinder betrieben eine Papierwaren-, Dreher eine Holzwaren-, Schreiner
oder Sattler eine Möbelhandlung u. s. w. — andernteils suchten manche im Hausierbetrieb einen
bequemen Erwerb.