Full text: Die deutschen Getreidezölle

18 
gestiegen ist, daß die Ausfuhr nicht mehr Gewinn bringt, 
d. h. bis der Inlandpreis dem Weltmarktpreis unter Hinzu 
rechnung des Zolls entspricht. Die Beseitigung des Identitäts 
nachweises bedeutete also die Einführung einer Prämie für 
die Ausfuhr von Getreide mit der Tendenz den Inlandpreis 
um den vollen Zollbetrag zu steigern. Das ist auch im großen 
und ganzen so eingetreten. Die Aufhebung des Identitäts 
nachweises hatte die Wirkung, daß die Inlandpreise bei Roggen 
und Weizen unter dem Caprivischen 3,50 Mk.-Zoll tat 
sächlich höher über dem Weltmarktpreis standen, als beim alten 
5 Mk.-Zoll. Aber die wenigsten verstanden dies; die meisten 
sahen nur die Herabsetzung des Zolles von 5 Mk. auf 3,50 Mk.; 
und der größte Agitator Deutschlands nach Martin Luther und 
Friedrich List, Fürst Bismarck, nahm diese Parole in die 
Hand, um Rache an seinem Nachfolger zu nehmen. Es ent 
stand der Bund der Landwirte, von Bismarck unterstützt. 
Caprivi fiel. _ 
Der Zolltarif von 190 2. 
Es entbrannte jetzt im ganzen deutschen Lande die rück 
sichtsloseste Agitation des Bundes der Landwirte für Wieder 
erhöhung der Getreidezölle. Sie war erfolgreich. Am 25. De 
zember 1902 erhielt das deutsche Volk zum Weihnachtsgeschenk 
das unter Vergewaltigung der Geschäftsordnung vom Reichs 
tag beschlossene Zolltarifgesetz, das einen Mindestzoll für 
Weizen von 5,50 Mk., Roggen von 5 Mk., Malzgerste von 4 Mk., 
Futtergerste von 1,50 Mk. und Hafer von 5 Mk. vom 1. März 
1906 ab einführte. Die Mehrheitspartei des Reichstags, das 
Zentrum, sah sich genötigt, zur Beruhigung der über die drohende 
Zollbelastung murrenden katholischen Arbeiter etwas zu tun 
und setzte den § 15 des. Zollgesetzes durch, nach welchem 
die Mehrerträge der erhöhten Zölle auf Weizen, Roggen, Rind 
vieh, Schafe, Schweine, Schweinespeck, Mehl über die Erträge
	        
Waiting...

Note to user

Dear user,

In response to current developments in the web technology used by the Goobi viewer, the software no longer supports your browser.

Please use one of the following browsers to display this page correctly.

Thank you.