Vertreter eingewurzelter Lehrmeinungen noch zu verwerfen den Mut haben.
Mag man für die Zeit nach dem Kriege außer der bisherigen Politik der Steige-
rung der Produktivkraft auf diesem Gebiete auch noch eine Vorratswirtschaft
oder andere.ergänzende Maßregeln empfehlen, eine Richtungsänderung würde
es nicht bedeuten. Aber auch auf anderen Gebieten der Wirtschafts- und
Sozialpolitik hat der Krieg keine Fehler aufgedeckt, die zu einer Umkehr oder
wesentlichen Änderung der Richtung unserer bisherigen Politik dringenden
Anlaß böten. Was sonstige politische Reformen, etwa auf dem Gebiete des
Wahlrechts betrifft, so kann man der Meinung sein, daß der Krieg gewisse
Bedenken und Hindernisse beseitigt, gewiß aber nicht behaupten, daß gerade
er die Notwendigkeit dieser Reform bewiesen habe,
Nach diesem Überblick über die Wirkungen und Lehren des großen
Völkerkrieges, werde ich nicht dem Vorwurf, ein kritikloser Lobredner des
Bestehenden zu sein, verfallen, wenn ich behaupte, daß die Erfahrungen
des Krieges nirgends eine Schwäche der bestehenden Wirtschaftsordnung
der Art, wie sie im voraus von so vielen Seiten behauptet worden war, offen-
bart haben. Diese hat vielmehr die Probe des Krieges vollkommen bestanden;
sie hat sich als eine zur Kriegführung fähige in jeder Hinsicht bewährt. Der
Krieg wurde unter ihr im wesentlichen richtig und gut vorbereitet. Er wurde
mit den Mitteln des privaten Kapitals geführt, das wir der glänzenden Ent-
wicklung der privaten Unternehmung vor dem Kriege unter der privat-
kapitalistischen Ordnung verdankten. Der Staat verschaffte sich dieses Ka-
pital zur Hauptsache durch rein privatwirtschaftliche Darlehensverträge
gegen Versprechung von Zinsen, deren Höhe durch die Lage des Kapitalmarktes,
d. h. privatwirtschaftlich, bedingt war. Ohne Kapitalismus wäre an den
Krieg nicht zu denken gewesen; und bekanntlich gehört zu den Hauptlehren
der Kriegswirtschaftslehre der Satz, daß derjenige Staat siegen werde, der
über die letzten Kapitalien verfüge. Wie ist es gegenüber diesen allgemein
anerkannten Erfahrungen und Urteilen nun zu verstehen und zu erklären,
daß dennoch eine nicht geringe Zahl von Politikern, darunter gerade Volks-
wirtschaftslehrern, die Anschauung vertritt: dieser Krieg bedeute das Ende
der bisherigen Wirtschaftsordnung, mit ihm beginne eine ganz neue Epoche der
Volkswirtschaft ? Zwischen ihnen und uns liegen offenbar Unterschiede der Be-
obachtung und Auffassung grundsätzlicher Art vor, die derErklärung bedürfen.
Zunächst seien einige der kennzeichnenden Aussprüche dieser Politiker
angeführt, wobei wir uns absichtlich auf berufene Vertreter der Volkswirt-
schaftslehre beschränken, von denen ein Verständnis der volkswirtschaft-
lichen Vorgänge vor dem Kriege und während des Krieges zu erwarten
sein sollte. . Zuerst von diesen hat E. Jaffe, Professor "an ‚der Mün-
chener Handelshochschule,. das Wort ergriffen!). Er macht zwar Zzu-
a 1) Volkswirtschaft und Krieg. Tübingen 10915.