14
falls am Abend vorher beim Schoppen Wein dem Fabri
kanten angezeigt." Und da, wo ein besonders dazu angestellter
Beamter die Durchführung des Gesetzes energisch zu betreiben
versuchte, wie zum Beispiel in Aachen, wußten die Fabri
kanten ihn in so raffinierter Weise zu hintergehen, daß auch
hier das Resultat des Gesetzes gleich Null war.
Im industriellen Sachsen dachte man erst 1861 an eine
gesetzliche Beschränkung der Kinderarbeit, und man griff
obendrein noch weit zaghafter zu als in Preußen. Kinder
unter 10 Jahren sollten gar nicht, 10 bis 14jährige bis
zu 10 Stunden täglich in Fabriken beschäftigt werden dürfen.
Mit der Durchführung dieser Bestimmungen stand es aber
um kein Haar besser als in Preußen.
Die Gewerbeordnung, die 1869 für den Norddeutschen
Bund, 1871 für die übrigen deutschen Staaten Geltung ge
wann, blieb betreffs der Kinderarbeit bei den preußischen
Bestimmungen von 1853 stehen. Sie verbot noch nicht ein
mal die Fabrikarbeit von Kindern unter 12 Jahren voll
ständig, sondern gestattete ihre „nicht regelmäßige" Be
schäftigung. Kinder von 12 bis 14 Jahren durften höchstens
6 Stunden lang ausgebeutet werden; diese Stunden konnten
aber nach Belieben über den ganzen Tag verzettelt werden
(von 5 1 /* Uhr morgens bis 8 Uhr abends), was eine Kon
trolle unmöglich machte. Die Nichtbeachtung dieser Vor
schriften war daher allgemein.
Eine 1874 bis 1875 veranstaltete Enquete enthüllte
wieder die unerträglichsten Mißstände, namentlich im König
reich Sachsen, wo ja die Kinderausbeutung noch aus den
Zeiten der vorzugsweisen hausindustriellen Arbeitsweise den
Unternehmern zum unantastbaren Privileg und dem Volke
zur traurigen Gewohnheit geworden war. Wir erfahren da:
„Nach Angabe eines Schuldirektors im Zwickauer Bezirk
gibt es Fabriken, in denen ununterbrochen Kinder unter
12 Jahren, ja sogar 7 bis 8jährige Kinder beschäftigt
werden; wird von der Behörde die Fabrik revidiert, so