Full text: Festnummer der Wochenschrift des Niederoesterreichischen Gewerbe-Vereines anlässlich seines 70-jährigen Bestandes

□ 39 d 
Festbankett. 
Nach der Festversammlung fand im reich dekorierten 
Saale des „Hotel Continental" ein Festbankett statt, 
an welchem nahezu 400 Herren teilnahmen. 
Den Reigen der Trinksprüche eröffnete der Vereins'' 
Präsident Herr k. k. Baurat Emil Breßler mit den 
Worten: 
Wenn wir am heutigen Festtage mit berechtigter 
Genugtuung auf Erfolge des Niederösterreichischen Ge' 
werbevereines, die durch ehrliche Arbeit errungen sind, 
zurückblicken und allen jenen danken, welche an dieser 
Arbeit mitgewirkt und welche diese Arbeit anerkannt 
haben, so dürfen wir des mächtigsten [Förderers aller 
wirtschaftlichen Arbeit in Österreich nicht vergessen und 
müssen dankerfüllt unseres erhabenen Herrschers ge' 
denken. (Die Versammelten erheben sich.) 
Unser Kaiser, welcher zu wiederholten Malen die Huld 
hatte, Arbeiten und Leistungen des Nieder österreichischen 
Gewerbevereines ausdrücklich als gemeinnützige anzu- 
erkennen und diejenigen, welche sich in den Dienst des 
Vereines und seiner wirtschaftlichen Bestrebungen gestellt 
hatten, auszuzeichnen, hat am heutigen Tage neuerdings 
das Füllhorn seiner Gnade über den Verein und alt' 
gediente Funktionäre desselben ausgeschüttet. 
Unser Kaiser, selbst ein Vorbild nie ermüdender 
Pflichterfüllung, gab durch seinen Allerhöchsten Schutz 
den Männern, die im Vereine wirkten, immer wieder 
den Ansporn zu weiterer Tätigkeit und neuem 
Schaffen. 
Wir alle, die im wirtschaftlichen Leben tätig sind, 
erblicken in unserem Kaiser nicht bloß das leuchtende 
Vorbild pflichtbewußter Arbeit, sondern auch den fast 
einzigen Hort der für unsere Volkswirtschaft so not' 
wendigen sicheren Fortentwicklung unserer öffentlichen 
Zustände. 
In diesem Sinne lade ich Sie, hochgeehrte Herren 
ein, einzustimmen in den Ruf: „Gott erhalte, Gott be' 
schütze unseren allergnädigsten Kaiser und Herrn Franz 
Joseph I.!“ (Stürmische, langanhaltende Hochrufe; die 
Musikkapelle intoniert die Volkshymne.) 
Präsident Baurat Breßler: 
Als ein sichtbares Zeichen der wohlwollenden Beur' 
teilung des Vereines und seiner Tätigkeit an Aller' 
höchster Stelle dürfen wir es erblicken, daß der Verein 
seit seinem Bestände sich der hohen Auszeichnung er' 
freut, dem Throne nächststehende Prinzen des Erzhauses 
a Is Protektoren zu führen. 
Der Verein dankt diesen erlauchten Schirmherrn 
v ielc Erfolge und mächtige Förderung. 
Der erste Protektor, Erzherzog Franz Karl, war 
es ’ welcher das Entstehen und die zarte, durch die 
Rauhen Stürme des Jahres 1848 gefährdete Kindheit des 
Vereines beschützte; sein Sohn, Erzherzog Karl 
|-‘Udwig, widmete dem Vereine durch viele Jahre sein 
esonderes Interesse, ja eine wahrhafte Liebe. Auch 
Erzherzog Otto gab dem Vereine gleichfalls zu 
Wiederholten Malen Zeichen seiner höchsten Gewogenheit. 
Nunmehr genießt unser Verein die hohe Auszeich' 
nung, unter dem Protektorate des Thronfolgers Seiner 
kaiserlichen Hoheit des durchlauchtigsten Herrn Erz' 
herzogs Franz Ferdinand zu stehen und ist Seiner 
kaiserlichen Hoheit für die Übernahme und Führung 
des Protektorates zu ehrerbietigstem Danke verpflichtet 
— ist ja dieser Akt der wertvolle Beweis dafür, daß 
Se. kaiserliche Hoheit die hohe Bedeutung von Gewerbe, 
Industrie und Handel für den Staat würdigt und öffent' 
lieh bezeigt. 
Ich lade Sie daher, hochgeehrte Herren, ein, mit mir 
einzustimmen in den Ruf: „Seine kaiserliche Hoheit 
Erzherzog Franz Ferdinand, unser erlauchter Protektor, 
lebe hoch!“ (Stürmische Hochrufe; die Musikkapelle 
spielt die Volkshymne.) 
Vizepräsident Ludwig: Der Österreicher ist bekannt 
als stetiger Nörgler; wir sind nie zufrieden. Wir sind 
es auch in den gegenwärtigen Zeitläuften nicht. Gerade 
der heutige Tag sollte uns aber zu Rückblicken anregen 
und dabei müssen wir uns doch eingestehen, daß vieles, 
vieles besser geworden ist in jenen siebzigJahren, seit jener 
Zeit, da sich vielleicht nach der konstituierenden General' 
Versammlung jene Leute, welche an der Wiege des Nieder' 
österreichischen Gewerbevereines gestanden sind, zum 
erstenmal zu einer festlichen Veranstaltung zusammen' 
gefunden haben. Ich weiß nicht, meine Herren, aber 
vielleicht war es damals notwendig, daß die Reden, die bei 
dieser Gelegenheit gesprochen wurden, vorher der Polizei 
zur Begutachtung vorgelegt werden mußten, denn damals 
stand man noch mitten im alten Metternichschen 
Polizeistaat drinnen, während wir heute ein verfassungs' 
mäßig regiertes Österreich haben, welches sich sogar der 
Wohltaten eines aus dem freien, allgemeinen, geheimen 
Wahlrechte hervorgegangenen Volkshauses erfreut. 
(Heiterkeit!) Ich will es nur als eine vorübergehende 
Episode ansehen, daß wir gerade in diesem Momente 
gezwungen sind, den Schutz unserer wirtschaftlichen 
Interessen unter den Flügeln der Regierung zu suchen. 
Ich denke aber, das wird ja wieder vorübergehen. Aber, 
meine Herren, wir brauchen ja nicht bloß das Paria' 
ment; die jetzige Staatsverwaltung gibt uns Gelegenheit, 
in zahllosen Kommissionen und Beiräten unsere Inter' 
essen aufs eifrigste verfechten zu können. Ich sage ver' 
fechten zu können, weil es nicht immer in dem 
Maße geschieht, wie es vielleicht sein sollte. Wem es 
aber nicht genügt, in diesen Kommissionen und Bei' 
räten zu sitzen, dem steht, sei es eine Körperschaft, sei 
es ein einzelner, der Weg offen zum Sektionschef, zum 
Minister selbst, niemand kann sich heute mehr be' 
klagen, daß es schwer ist, an diese Stelle zu gelangen, 
er findet überall ein williges Ohr. 
Meine Herren, wir haben heute das Recht der Kritik, 
wir können selbst eine scharfe Kritik üben, wir ris' 
kieren dabei nur, daß wir ein sogenanntes Echo hören. 
In Österreich ist es in dieser Beziehung, was die Staats' 
Verwaltung anbelangt, wesentlich besser geworden und 
ich glaube, wir haben keine Ursache zu klagen. Jeder 
wird zugeben, daß in den letzten Jahren ein frischer Zug
	        
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