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Festbankett.
Nach der Festversammlung fand im reich dekorierten
Saale des „Hotel Continental" ein Festbankett statt,
an welchem nahezu 400 Herren teilnahmen.
Den Reigen der Trinksprüche eröffnete der Vereins''
Präsident Herr k. k. Baurat Emil Breßler mit den
Worten:
Wenn wir am heutigen Festtage mit berechtigter
Genugtuung auf Erfolge des Niederösterreichischen Ge'
werbevereines, die durch ehrliche Arbeit errungen sind,
zurückblicken und allen jenen danken, welche an dieser
Arbeit mitgewirkt und welche diese Arbeit anerkannt
haben, so dürfen wir des mächtigsten [Förderers aller
wirtschaftlichen Arbeit in Österreich nicht vergessen und
müssen dankerfüllt unseres erhabenen Herrschers ge'
denken. (Die Versammelten erheben sich.)
Unser Kaiser, welcher zu wiederholten Malen die Huld
hatte, Arbeiten und Leistungen des Nieder österreichischen
Gewerbevereines ausdrücklich als gemeinnützige anzu-
erkennen und diejenigen, welche sich in den Dienst des
Vereines und seiner wirtschaftlichen Bestrebungen gestellt
hatten, auszuzeichnen, hat am heutigen Tage neuerdings
das Füllhorn seiner Gnade über den Verein und alt'
gediente Funktionäre desselben ausgeschüttet.
Unser Kaiser, selbst ein Vorbild nie ermüdender
Pflichterfüllung, gab durch seinen Allerhöchsten Schutz
den Männern, die im Vereine wirkten, immer wieder
den Ansporn zu weiterer Tätigkeit und neuem
Schaffen.
Wir alle, die im wirtschaftlichen Leben tätig sind,
erblicken in unserem Kaiser nicht bloß das leuchtende
Vorbild pflichtbewußter Arbeit, sondern auch den fast
einzigen Hort der für unsere Volkswirtschaft so not'
wendigen sicheren Fortentwicklung unserer öffentlichen
Zustände.
In diesem Sinne lade ich Sie, hochgeehrte Herren
ein, einzustimmen in den Ruf: „Gott erhalte, Gott be'
schütze unseren allergnädigsten Kaiser und Herrn Franz
Joseph I.!“ (Stürmische, langanhaltende Hochrufe; die
Musikkapelle intoniert die Volkshymne.)
Präsident Baurat Breßler:
Als ein sichtbares Zeichen der wohlwollenden Beur'
teilung des Vereines und seiner Tätigkeit an Aller'
höchster Stelle dürfen wir es erblicken, daß der Verein
seit seinem Bestände sich der hohen Auszeichnung er'
freut, dem Throne nächststehende Prinzen des Erzhauses
a Is Protektoren zu führen.
Der Verein dankt diesen erlauchten Schirmherrn
v ielc Erfolge und mächtige Förderung.
Der erste Protektor, Erzherzog Franz Karl, war
es ’ welcher das Entstehen und die zarte, durch die
Rauhen Stürme des Jahres 1848 gefährdete Kindheit des
Vereines beschützte; sein Sohn, Erzherzog Karl
|-‘Udwig, widmete dem Vereine durch viele Jahre sein
esonderes Interesse, ja eine wahrhafte Liebe. Auch
Erzherzog Otto gab dem Vereine gleichfalls zu
Wiederholten Malen Zeichen seiner höchsten Gewogenheit.
Nunmehr genießt unser Verein die hohe Auszeich'
nung, unter dem Protektorate des Thronfolgers Seiner
kaiserlichen Hoheit des durchlauchtigsten Herrn Erz'
herzogs Franz Ferdinand zu stehen und ist Seiner
kaiserlichen Hoheit für die Übernahme und Führung
des Protektorates zu ehrerbietigstem Danke verpflichtet
— ist ja dieser Akt der wertvolle Beweis dafür, daß
Se. kaiserliche Hoheit die hohe Bedeutung von Gewerbe,
Industrie und Handel für den Staat würdigt und öffent'
lieh bezeigt.
Ich lade Sie daher, hochgeehrte Herren, ein, mit mir
einzustimmen in den Ruf: „Seine kaiserliche Hoheit
Erzherzog Franz Ferdinand, unser erlauchter Protektor,
lebe hoch!“ (Stürmische Hochrufe; die Musikkapelle
spielt die Volkshymne.)
Vizepräsident Ludwig: Der Österreicher ist bekannt
als stetiger Nörgler; wir sind nie zufrieden. Wir sind
es auch in den gegenwärtigen Zeitläuften nicht. Gerade
der heutige Tag sollte uns aber zu Rückblicken anregen
und dabei müssen wir uns doch eingestehen, daß vieles,
vieles besser geworden ist in jenen siebzigJahren, seit jener
Zeit, da sich vielleicht nach der konstituierenden General'
Versammlung jene Leute, welche an der Wiege des Nieder'
österreichischen Gewerbevereines gestanden sind, zum
erstenmal zu einer festlichen Veranstaltung zusammen'
gefunden haben. Ich weiß nicht, meine Herren, aber
vielleicht war es damals notwendig, daß die Reden, die bei
dieser Gelegenheit gesprochen wurden, vorher der Polizei
zur Begutachtung vorgelegt werden mußten, denn damals
stand man noch mitten im alten Metternichschen
Polizeistaat drinnen, während wir heute ein verfassungs'
mäßig regiertes Österreich haben, welches sich sogar der
Wohltaten eines aus dem freien, allgemeinen, geheimen
Wahlrechte hervorgegangenen Volkshauses erfreut.
(Heiterkeit!) Ich will es nur als eine vorübergehende
Episode ansehen, daß wir gerade in diesem Momente
gezwungen sind, den Schutz unserer wirtschaftlichen
Interessen unter den Flügeln der Regierung zu suchen.
Ich denke aber, das wird ja wieder vorübergehen. Aber,
meine Herren, wir brauchen ja nicht bloß das Paria'
ment; die jetzige Staatsverwaltung gibt uns Gelegenheit,
in zahllosen Kommissionen und Beiräten unsere Inter'
essen aufs eifrigste verfechten zu können. Ich sage ver'
fechten zu können, weil es nicht immer in dem
Maße geschieht, wie es vielleicht sein sollte. Wem es
aber nicht genügt, in diesen Kommissionen und Bei'
räten zu sitzen, dem steht, sei es eine Körperschaft, sei
es ein einzelner, der Weg offen zum Sektionschef, zum
Minister selbst, niemand kann sich heute mehr be'
klagen, daß es schwer ist, an diese Stelle zu gelangen,
er findet überall ein williges Ohr.
Meine Herren, wir haben heute das Recht der Kritik,
wir können selbst eine scharfe Kritik üben, wir ris'
kieren dabei nur, daß wir ein sogenanntes Echo hören.
In Österreich ist es in dieser Beziehung, was die Staats'
Verwaltung anbelangt, wesentlich besser geworden und
ich glaube, wir haben keine Ursache zu klagen. Jeder
wird zugeben, daß in den letzten Jahren ein frischer Zug