Full text: Graf Georg Kankrin in nationalökonomischer und finanzwirtschaftlicher Beziehung

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liebt, hat sehr oft den liebsten Plänen des Kaisers wider 
sprochen und ist meistens mit seiner Ansicht gegen die des 
Kaisers durchgedrungen. Das ist aber nur dadurch er 
klärlich, daß neben dem Vertrauen, welches der Kaiser 
Kankrin in Fachsachen entgegenbrachte, beide, trotz der 
Verschiedenheit der Ansichten im einzelnen, doch in dem 
Grundprinzip übereinstimmten, daß nämlich an dem status 
quo des Monarchismus nicht gerüttelt werden darf, will 
man nicht die Revolution heraufbeschwören. 1 ) 
Der Ausspruch von Baron Louis: »Faites-moi de la 
bonne politique et je vous ferai de bonnes finances« gewinnt 
bei der Besprechung der finanzwirtschaftlichen Tätigkeit 
Kankrins mehr als irgendwo seine Berechtigung. Es ist 
nicht nur schwer, mit schlechten Finanzen gute Politik zu 
machen, sondern auch bei schlecht getriebener Politik eine 
gute Finanzlage zu schaffen, ja das ist kaum möglich, denn 
Politik und Finanzen stehen in dem engen Zusammenhang 
von Ursache und Wirkung. 
Wenn man dies immer bei der Beurteilung der finanz 
wirtschaftlichen Tätigkeit nach ihren Erfolgen hin im Auge 
behalten muß, so ist hier noch vor allem wichtig die be 
sonderen Begleiterscheinungen nicht außer acht zu lassen, 
welche die reaktionäre Politik Nikolaus I. kennzeichnen und 
welche auch nicht ohne Einwirkung auf die Staatswirtschaft 
bleiben konnten. Mehrere Kriege während dieser Periode, 
welche in den Jahren 1827—1832 allein an außerordentlichen 
Ausgaben 396 298 270 Ass. Rub. verschlangen, dann Miss 
ernten, die gegen 100 Mill. Rub. Ausgaben aus den Staats 
kassen erforderten, Choleraepidemien und andere Begleiter 
scheinungen der traurigen russischen Zustände — all das 
war wahrlich nicht dazu angetan, Kankrin die finanzwirt 
schaftliche Arbeit zu erleichtern. 
Daß aber Kankrin trotzdem vieles und wertvolles 
während seiner ganzen Tätigkeit geleistet hat, das muß man 
') Vgl. Gegenwart 11. 296; 310/11. 
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