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liebt, hat sehr oft den liebsten Plänen des Kaisers wider
sprochen und ist meistens mit seiner Ansicht gegen die des
Kaisers durchgedrungen. Das ist aber nur dadurch er
klärlich, daß neben dem Vertrauen, welches der Kaiser
Kankrin in Fachsachen entgegenbrachte, beide, trotz der
Verschiedenheit der Ansichten im einzelnen, doch in dem
Grundprinzip übereinstimmten, daß nämlich an dem status
quo des Monarchismus nicht gerüttelt werden darf, will
man nicht die Revolution heraufbeschwören. 1 )
Der Ausspruch von Baron Louis: »Faites-moi de la
bonne politique et je vous ferai de bonnes finances« gewinnt
bei der Besprechung der finanzwirtschaftlichen Tätigkeit
Kankrins mehr als irgendwo seine Berechtigung. Es ist
nicht nur schwer, mit schlechten Finanzen gute Politik zu
machen, sondern auch bei schlecht getriebener Politik eine
gute Finanzlage zu schaffen, ja das ist kaum möglich, denn
Politik und Finanzen stehen in dem engen Zusammenhang
von Ursache und Wirkung.
Wenn man dies immer bei der Beurteilung der finanz
wirtschaftlichen Tätigkeit nach ihren Erfolgen hin im Auge
behalten muß, so ist hier noch vor allem wichtig die be
sonderen Begleiterscheinungen nicht außer acht zu lassen,
welche die reaktionäre Politik Nikolaus I. kennzeichnen und
welche auch nicht ohne Einwirkung auf die Staatswirtschaft
bleiben konnten. Mehrere Kriege während dieser Periode,
welche in den Jahren 1827—1832 allein an außerordentlichen
Ausgaben 396 298 270 Ass. Rub. verschlangen, dann Miss
ernten, die gegen 100 Mill. Rub. Ausgaben aus den Staats
kassen erforderten, Choleraepidemien und andere Begleiter
scheinungen der traurigen russischen Zustände — all das
war wahrlich nicht dazu angetan, Kankrin die finanzwirt
schaftliche Arbeit zu erleichtern.
Daß aber Kankrin trotzdem vieles und wertvolles
während seiner ganzen Tätigkeit geleistet hat, das muß man
') Vgl. Gegenwart 11. 296; 310/11.
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