Full text: Graf Georg Kankrin in nationalökonomischer und finanzwirtschaftlicher Beziehung

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der er das Deutschland der vierziger Jahre des 19. Jahrhun 
derts mit demjenigen vor 45 Jahren, als er selber noch in 
Deutschland studierte, vergleicht, sagt er unter anderem: »Die 
Wissenschaften sind hoch kultiviert. Die alte Pedanterie, 
das dürre Brotstudiumwesen, die Kleinlichkeit und Ein 
seitigkeit meiner Universitätsjahre haben aufgehört. —. —. 
— Die Hilfsmittel des Lehrens und Lernens haben sich un- 
gemein ausgebildet. —. —. — Die Ungebundenheit des 
Burschenlebens ist eingeschränkt zu grossem Nutzen. —. 
— Die Sitten der Studierenden sind geschliffener.« 1 ) Über 
Giessen äussert sich G. Kankrin an einer anderen Stelle der 
selben Tagebücher folgendermassen: »Giessen war ein gar 
elendes, befestigtes Städtchen, jetzt hat sich vieles zum 
Bessern und Schlechtem verändert. —. —. — Die einst 
schwache Universität ist durch Anstalten und neuerdings 
durch Professor Liebig in bedeutenden Flor gekommen. 
Der Ton scheint, wie ehemals, noch ziemlich gemein. Ein 
am Abend tiefbetrunkener, lallender, sonst geschickter Pro 
fessor G. drängte sich zum Aergernis der Anwesenden be 
ständig zu mir. —. —. — Doch wie haben sich die Wissen 
schaften in den 5ö Jahren, vor denen ich zuerst nach 
Giessen kam, aus dem trocknen Brotstudium gerissen, be 
sonders aber die dürre Juristerei gehoben, die aus verschie 
denen Epochen ein römisches Recht zusammenklaubte und 
ein deutsches machte, zu dem es nichts Allgemeines gibt.« 2 ) 
Über Marburg finden wir in den Tagebüchern 3 ) nur sehr 
weniges, nämlich nur die Tatsache konstatiert, daß der 
Autor, »durch die Franzosen aus Giessen verscheucht«, eine 
Zeitlang dort gelebt habe. Über die volkswirtschaftlichen 
Studien, die uns hier am meisten interessieren, finden wir 
keine Andeutung weder in den bisherigen und zwar sehr 
dürftigen Biographien von G. Kankrin, noch auch in seinen 
Tagebüchern selbt. Etwas Licht darüber zu werfen, wird 
vielleicht hier am Platze sein. 
>) Rtgb. I. 193/134. 3) Rtgb. II. 29—30.— “) Rtgb. II. 28-
	        
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