Full text: "Wohin weiter"

Die Vertuschungsversuche, wie Herr Dr. Alexander Wekerle 
in seinem im Niederösterreichischen Gewerbevereine am 14. Februar 
1913 gehaltenen Vortrage schilderte, werden als undankbare Experi 
mente gestempelt, ohne die bezweckte Beruhigung erzielt zu haben. 
Dieser Nationalökonom meint, es wird „allgemein angenommen, daß 
die Zahlungsbilanz der Monarchie trotz der starken Passivität ihrer 
Handelsbilanz aktiv sei“. 
Beweise dafür — Zahlen, Statistik — fehlen. Gerade das Gegen 
teil ist richtig, unsere Zahlungsbilanz ist passiv, da Österreich keine 
Kolonien besitzt, wohin Kapitalien auswandern könnten, auch keine 
im Auslande angelegten Guthaben, von wo die Zinsen hereinfließen 
könnten, im Gegenteil, Österreich hat drei Viertel seiner Schuld im 
Auslande kontrahiert und sendet jährlich mindestens 400 Millionen 
Kronen Bargeld ins Ausland. Wir haben auch keine Unternehmungen 
im Auslande, folglich bekommen wir von dort auch keine Dividenden. 
Das Auswanderungswesen bringt uns jährlich nach ungefährer 
Schätzung ,240 Millionen Kronen, das ist eine mit Blut verdiente 
Aktivpost, welche als ein letztes Mittel gegen Not und Hunger der 
Zahlungsbilanz zugute kommt. 
Bei dem Fremdenverkehr ist es schwer zu ermitteln, wie das 
Saldo ausfällt — wahrscheinlich bringen die Fremden etwa soviel 
ins Reich, wie viel mit den Expreßzügen Wien—Nizza nach Frank 
reich ausgeführt wird. 
Wenn wir zu unserem Defizit in der Handelsbilanz noch die 
Tilgung der Staatsschulden im Auslande hinzuschlagen, erhalten wir 
zirka 1200 Millionen Jahresdefizit, dem in den Einnahmen die Aktiv 
post „Auswanderungswesen“, etwa 240 Millionen, in der Zahlungs 
bilanz gegenübersteht. Angenommen, daß auch der Fremdenver 
kehr noch etwas dazuschlägt, so verbleibt doch ein Jahresdefizit von 
nahezu einer Milliarde. 
Aus diesen wichtigsten Bilanzpositionen ist schon ein Übergewicht 
der Ausgaben gegenüber den Einnahmen zu ersehen. 
Auch die Aktivität unseres Wirtschaftslebens ist gar nicht be 
wiesen, im Gegenteil, auf allen Gebieten des Privatlebens ist eine 
Beschränkung der Ausgaben für die unumgänglichen Lebensbedürf 
nisse zu ersehen. 
Das Steigen der Bodenpreise ist das Resultat der allgemeinen 
Teuerung, der Übervölkerung, sowie der Einschrumpfung des Besitz 
standes. Beim Grundeinkauf werden nur die Verdienste der Emi
	        
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