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Einführung in die Kriegswirtschaftslehre

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Bibliographic data

fullscreen: Einführung in die Kriegswirtschaftslehre

Monograph

Identifikator:
1004940505
URN:
urn:nbn:de:zbw-retromon-17272
Document type:
Monograph
Author:
Neurath, Otto http://d-nb.info/gnd/118587420
Title:
Einführung in die Kriegswirtschaftslehre
Edition:
Sonderabdruck aus: "Mitteilungen aus dem Intendanzwesen"
Place of publication:
Wien
Publisher:
[Seidel]
Year of publication:
1914
Scope:
1 Online-Ressource (Seiten 2-13, Seiten 2-16, Seiten 2-46)
Digitisation:
2017
Collection:
Economics Books
Usage license:
Get license information via the feedback formular.

Chapter

Document type:
Monograph
Structure type:
Chapter
Title:
III. Das Problem der Reserven
Collection:
Economics Books

Contents

Table of contents

  • Einführung in die Kriegswirtschaftslehre
  • I. Die Kriegswirtschaftslehre als Sonderdisziplin
  • II. Verschiedenartigkeit der Kriegswirkung
  • III. Das Problem der Reserven
  • IV. Arten der kriegswirtschaftlichen Bedarfsdeckung
  • V. Aufgaben und Wesen des Geldes
  • VI. Beschaffung von Zeichengeld
  • Beschaffung von Weltgeld
  • VIII. Organisation der unmittelbaren Realienbeschaffung
  • IX. Sicherung des Realienbedarfes für den Kriegsfall
  • X. Rückwirkungen des Krieges und der Rüstungen auf Geld und Kredit
  • IX. [i. e. XI.] Rückwirkungen des Krieges und der Rüstungen auf Produktion und Handel
  • XII. Der Kriegserfolg
  • Schlußbemerkungen

Full text

12 
Das Geburtenproblem ist heute überhaupt 
noch recht ungeklärt. Während man auf der einen 
Seite über Ueberbevölkerung klagt und Hundert- 
tausende in die Fremde ziehen läßt, jammert man 
gleichzeitig über Geburtenrückgang, der übrigens 
im allgemeinen durch einen erheblichen Sterblich 
keitsrückgang kompensiert wird. Letzterer geht 
auf verschiedene Momente zurück, unter anderem 
auch auf die Fortschritte der Hygiene und der 
Medizin. 
Die Ursachen des heute zu beobachtenden 
Geburtenrückgangs, der vor allem in den Städten 
auftritt, aber auch auf dem Lande anzutreffen ist, 
sind mannigfacher Art. Zum Teil dürfte auch eine 
Abnahme der Zeugungsfähigkeit in manchen Ge 
sellschaftsklassen eine gewisse Rolle spielen, vor 
allem aber die absichtliche Verhinderung der Be 
fruchtung durch bestimmte Methoden des Ge 
schlechtsverkehrs oder durch Präventivmittel. Auf 
dem Lande spielt besonders die Abtreibung eine 
erhebliche Rolle, die aber auch in den Städten 
etwas sehr Häufiges ist. Von großer Bedeutung 
sind auch die Geschlechtskrankheiten, welche die 
Fortpflanzungsfähigkeit sehr schädigen. Ein großer 
Teil der Ehen ist dadurch kinderlos, daß der 
Mann die Frau mit Tripper infizierte. 
Im allgemeinen sind die wohlhabenderen und 
rationeller lebenden Kreise am meisten geneigt, 
durch geeignete Maßnahmen die Kinderzahl ein 
zuschränken, um so den Lebensstandard der 
Kinder aufrechterhalten zu können. Die Ein 
kommen des Mittelstandes, insbesondere der 
Beamtenschaft, sind so niedrig, daß eine Familie 
schwer mehr als drei Kinder aufziehen kann, wenn 
die Ausbildung der Kinder nicht Zurückbleiben 
soll. Familien mit vier, fünf Kindern haben bereits 
mit Schwierigkeiten zu kämpfen, wenn die Väter 
nicht hohen Rangsklassen angehören. Die ärmeren 
Kreise leben vielfach dumpf dahin, bekommen 
Kinder und lassen sie massenhaft dahinsterben. 
Sie überlegen wenig, auch erfordern alle Prä 
ventivmaßregeln Aufmerksamkeit und Disziplin. 
Dafür kommen unter Arbeiterinnen Fruchtabtrei 
bungen recht oft vor. Aber auch bei Bauern spielt 
die absichtliche Geburtenverringerung keine ge 
ringe Rolle. Ich kenne ein niederösterreichisches 
Dorf, in dem die Bauern nur solange Kinder be 
kommen sollen, bis der Erbsohn geboren ist, uiu 
auf diese Weise das Vermögen immer in einer 
Hand zu belassen. 
Neben den bisher erwähnten Reserven gibt 
es auch Reserven an Erfindungen und Erfindungs 
kraft, die im Kriege Verwendung finden können. 
Es gibt eine Menge von Erfindungen, die im 
Frieden nicht verwendet werden, weil sie sich 
nicht rentieren. Wir sehen zum Beispiel die Hebe 
maschinen wenig in Benützung. Ein großer Teil 
der Transporte von Kisten, Möbeln, Steinen usw. 
wird mit Muskelkraft vorgenommen. Wenn man 
die Fülle von Erfindungen mit Technik, die 
Häufigkeit der Verwendung mit Technizität be 
zeichnet, so muß man sagen, daß in unserem 
Zeitalter die Technik zwar sehr weit fortgeschritten 
ist, nicht aber die Technizität. Die Alten hatten 
zwar weniger Erfindungen, sie nützten dieselben 
aber alle aus. Wenn im Kriegsfall die Zahl der 
Arbeitskräfte abnimmt und bestimmte Import 
artikel verschwinden, kann es leicht zur Ver 
wendung schon bekannter Erfindungen kommen, 
die bisher nicht in Gebrauch genommen wurden. 
Eine Gesellschaft für Apparatenbau in Mainz be 
richtet zum Beispiel, daß sie infolge des Ab 
ganges von Arbeitern genötigt war, neue vorher 
nicht gekannte Hilfsmaschinen anzuschaffen. 
Aber auch die Erfindungskraft selbst wird in 
Kriegszeiten durch die Not oft geschärft. So 
wurde zum Beispiel die Rübenzuckerfabrikation 
während der Kontinentalsperre eingeführt. Na 
poleon I. setzte eigens Preise für die Erfindung 
neuer-industrieller Maschinen aus. Und es wurden 
denn auch eine Reihe von Erfindungen gemacht 
und ausgenützt. Man kennt zwar die Größe dieser 
Reserve an Erfindungskraft nicht, aber man muß 
sie auch in Rechnung stellen. Die Erfindungs 
reserven kann man aus den Patentpublikationen 
zum Teil entnehmen, und es wäre im Interesse 
der Kriegsbereitschaft gelegen, im vorhinein fest 
zustellen, welche Erfindungen im Falle einer Ab 
sperrung des Landes vom Weltverkehr verwendet 
werden könnten. Es gibt viele Maschinen, die 
zwar teurer, aber dennoch in brauchbarer Qualität 
Surrogate für wichtige Importartikel zu erzeugen 
vermöchten. Sie dürften im Falle eines Weltkrieges 
vor allem wohl Verwendung finden. 
Zu den bisherigen Reserven kommen noch 
die Rohstoffreserven. Es gibt Bergwerke, die in 
Friedenszeiten auszunützen nicht rentabel ist. Es 
gibt, wie wir schon erwähnten, Land, das für 
Ackerbau und Viehzucht in Friedenszeiten nicht 
Verwendung findet. All diese Reserven kommen 
natürlich für den Kriegsfall in Betracht. 
Auf die Warenreserven, insbesondere auf die 
Lebensmittelreserven, werde ich noch zurück 
zukommen haben. Sie werden in Friedenszeiten 
im allgemeinen sukzessive aufgebraucht. Nur 
Waffenreserven und ein Teil der Sanitätsreserven 
gehen in Friedenszeiten langsam zugrunde und 
müssen erneuert werden. 
Von ganz anderer Bedeutung sind die Geld 
reserven. Soweit es sich um Inlandsgeldreserven 
handelt, sind sie von geringer Bedeutung, da es 
ein Verwaltungsproblem ist, ob man die Kriegs 
mittel im Inlande durch Kauf oder durch Requi 
sition beschafft. Es ist auch denkbar, daß die 
Geld- und Kreditordnung im Kriegsfälle über 
haupt suspendiert werden muß. Die Auslands 
geldreserven repräsentieren Forderungsrechte an 
das Ausland, ihre Verwertung hängt wesentlich 
von der politischen Situation ab. Auch diesen 
Reserventypus werden wir eingehend zu be 
sprechen haben. 
Die Ausführungen über die ungenügende 
Ausnützung der produktiven Kräfte könnte leicht
	        

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Einführung in Die Kriegswirtschaftslehre. [Seidel], 1914.
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