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genommen werden oder er zu konkreten Handels
geschäften gezwungen wird. Daß es in einem
Kriege nicht ohne Beutemachen abgeht, isi leicht
begreiflich. Die Seele der Menschen wird durch
den Krieg wesentlich umgewandelt und aus allen
Kriegen können wir mehr oder weniger krasse
Fälle von Beutemachen zusammenstellen. Aber
dieses Beutemachen der Soldaten verbleibt in
relativ engen Grenzen, zumal ihm schon um der
Disziplin willen entgegengewirkt werden muß.
Anders steht es aber mit der Wegnahme von
Waren, Schiffen usw. in großem Maßstabe. Daß
derlei in solchen Dimensionen möglich ist, daß
man den Gegner dadurch empfindlich zu schädi
gen vermag, ist heute vielfach vergessen, weil
seit den Napoleonischen Kriegen, in denen diese
Methoden reichlich zur Anwendung kamen, bald
hundert Jahre vorüber sind.
In welcher Weise z. B. die Engländer vor
hundert Jahren operierten, zeigt Tabelle XXIX,
die ich dem trefflichen Werk von Peez und
Dehn entnehme. Sie sehen aus derselben, daß
Tabelle XXIX.
Von den Engländern weggenommene und in ihre Flotte
eingestellte Schiffe
1801 . . .
. 2800
1807 . .
.... 2800
1802 . . .
. 2800
1808 . .
.... 3200
1803 . . .
. 2300
1809 . .
.... 3500
1804 . . .
. 2500
1810 . .
.... 3900
1805 . . .
. 2500
1811 . .
.... 4000
1806 . . .
. 2600
1812 . .
.... 3900
die Engländer jährlich etwa 3000 Schiffe weg
genommen haben, in zwölf Jahren also ungefähr
32.000, das ist sehr viel, selbst wenn die kleinsten
gekaperten Segelboote in diese Ziffer mitein
geschlossen sind. Mit solchen Vorkommnissen,
vielleicht in noch größerem Maßstabe muß man
im Weltkriege der Zukunft rechnen. Wenn die
Engländer Gelegenheit dazu finden, werden sie
die großen Dampfer der Hamburg-Amerika-Linie
möglichst rasch in ihre Hand zu bekommen
suchen. Eine derartige Kaperung ist umso nahe
liegender, als die meisten großen Dampfer ihre
eigene Kriegsbestimmung haben, also einen Teil
der Kriegsflotte bilden dürften.
Die Engländer haben ebenso wie andere
Staaten immer jene Bestimmungen des Seekriegs
rechtes anerkannt, die ihnen den meisten Vorteil
brachten. Daß sie diesen Standpunkt einnehmen,
kann man aus allen öffentlich geführten Verhand
lungen über diesen Gegenstand entnehmen. 1778
vertraten die Engländer die Anschauung, die neu
trale Flagge decke die Ware nicht. Erst nach dem
Krimkriege wurde diese Bestimmung abgeändert.
Aber wenn auch die Tendenz da ist, im See
kriegsrecht möglichst viele neutrale Positionen
anzuerkennen, so wird doch schließlich immer der
jenige, welcher die Seemacht hat, auch das See
recht bestimmen.
Aber auch mit der Wegnahme von Waren
lagern muß man rechnen, selbst wenn da
durch die Neutralität und das Völkerrecht
verletzt werden sollten. Es wäre ja ein großer
Fortschritt auf dem Gebiete der internationalen
Organisation, wenn das Völkerrecht sich durch
zusetzen vermöchte, aber viele Erfahrungen zeigen,
daß man vorsichtigerweise mit dem Bruch des
selben rechnen muß. Vergessen wir nie darauf,
daß die europäischen Truppen, die in China als
Repräsentanten der europäischen Zivilisation auf
traten, nicht nur gegenüber der Bevölkerung sich
manchen Uebergriff erlaubten, sondern auch aus
dem Palast Gegenstände wegführten, die nicht
militärischen Zwecken dienten. Die so erbeuteten
astronomischen Instrumente, deren Wegnahme
Bülow im Reichstag zugestand, wurden auch nicht
zurückerstattet, sondern als nachträgliches Ge
schenk der chinesischen Regierung behalten. In
solchen Dingen gibt übrigens meist derjenige den
Ton an, der die brutalere und rücksichtslosere
Kampfmethode wählt. Wenn z. B. die Feinde in
ein Land eindringen und auf völkerrechtswidrigen
Widerstand stoßen, üben sie leicht Repressalien,
und dann bleibt es bekanntlich nicht beim Aug’
um Aug’, Zahn um Zahn stehen, sondern es
heißt bald Leben um Aug’, Arm um Finger.
Die Brutalität, die Völkerrechtswidrigkeit wird
rasch überboten, es dauert nicht lange, und
eine allgemeine Verwilderung reißt ein. Diese Ver
wilderung droht insbesondere dort, wo man mit
Menschen einer fremden Kultur zusammenstößt,
deren Verhalten von dem unseren abweicht.
Wie man in der Napoleonischen Zeit gegen
kommerzielles Eigentum verfuhr, ist sehr lehr
reich. Die Eingriffe kannten bald keine Grenzen
mehr und veranlaßten Luden zu dem Ausspruch:
«Wehrlosigkeit führt zur Knechtschaft.» Im Ok
tober 1806 beschlagnahmten die Franzosen für
8 Millionen Mark Waren in Sachsen und ver
kauften sie um 5'6 Millionen Mark im April 1807
an die Sachsen zurück. Das heißt, sie zogen
eigentlich diese Summe für die Kontributions
kasse ein. Aehnlich gingen sie in Hamburg und
1809 in Triest vor. Es würde ermüden, wollte
ich die zahllosen Eingriffe hier zusammenstellen.
Es wäre sehr verfehlt, zu glauben, daß derartiges
heute unmöglich wäre, ln 100 Jahren ändert sich
die Welt nicht so grundsätzlich. Freilich, solange
neutrale Mächte da sind, die nur darauf warten,
zu intervenieren, sind solche Liebergriffe riskanter;
aber wir sehen, daß im Balkankrieg die neutralen
Mächte im Interesse des Völkerrechtes, das mehr
als einmal schwer verletzt wurde, nicht ein
schritten. Die französischen Zolleinnahmen gingen
von 54 Millionen Mark im Jahre 1807 auf 21
Millionen Mark im Jahre 1809 zurück, aber der
einmalige Ertrag aus der Beschlagnahme, Ver
steigerung etc. von Kolonialwaren betrug 120
Millionen Mark. Man sieht bereits aus diesen
Ziffern, um was für Warenmassen es sich ge
handelt hat. Diese Massenkonfiskationen drängten
dazu, die Zirkulation dieser Warenmengen im