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minder plötzliches Fallen des Arbeitslohnes.»
«Während des Krieges gingen alle unsere An
lagen und Unternehmungen, sowohl private als
auch öffentliche, ins Große; alle diese Unterneh
mungen waren auf eine solche Nachfrage und auf
solche Zahlungsfähigkeit berechnet, die alles über
traf, was man im Friedenszustande in dieser Art
zu sehen gewohnt war. Manufakturen, Handels
häuser, Erziehungsanstalten und eine Menge
unserer Etablissements der verschiedensten Art,
nicht bloß in der Hauptstadt, sondern auch selbst
in den Provinzen, waren fast sämtlich auf eine
Nation berechnet, die nicht nur an Zahl, sondern
auch an Reichtum in stetem Wachstum begriffen ist.»
Der zweite Autor ist Henry George, ein
amerikanischer Nationalökonom, einer der Haupt
begründer der sog. Bodenreformbewegung. Er
wirkte in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts
und gab sehr packend die Wirkungen des ameri
kanischen Sezessionskrieges wieder. Wir lesen
bei ihm folgendes*):
«In Amerika gibt es zu allen Zeiten große
und in schwierigen Zeiten ungeheure Mengen von
Menschen, die mit aller Anstrengung Arbeit und
Gelegenheit suchen, für die durch Arbeit hervor
gebrachten Dinge Arbeit zu geben; nichts zeigt
vielleicht klarer die beständig vor sich gehende
enorme Verschwendung von produktiven Kräften,
als der Umstand, daß die blühendsten Zeiten,
welche dieses Land erlebt hat, die Zeiten des
Bürgerkrieges waren, als wir große Flotten und
Armeen unterhielten und Millionen unserer indu
striellen Bevölkerung genug zu tun hatten, um
dieselben mit Gütern zur unproduktiven Kon
sumtion oder zu leichtsinniger Vernichtung zu
versehen. Es ist vergebens, von einer eingebil
deten Blüte dieser gedeihlichen Zeiten zu reden.
Die Massen des Volkes lebten besser, kleideten
sich besser, fanden es leichter ihren Lebensunter
halt zu gewinnen und hatten mehr Ueberfluß
und Vergnügen als in gewöhnlichen Zeiten. Im
Norden war mehr tatsächlicher sichtbarer Reich
tum am Schlüsse des Krieges vorhanden, als
beim Beginne desselben. Auch war es nicht die
große Ausgabe von Papiergeld oder die Kontra
hierung der Schuld, welche diese Prosperität her
vorbrachte. Die Regierungspressen druckten aller
dings Zahlungsversprechen; aber Schiffe, Kanonen,
Waffen, Werkzeuge, Nahrungsmittel und Kleider
konnten sie nicht drucken. Auch borgten wir
diese Dinge nicht von anderen Ländern oder von
der ,Nachwelt* .... Die von unseren Flotten und
Armeen verbrauchten und vernichteten Güter
kamen von dem damals vorhandenen Gütervor-
r ate .... Und dadurch, daß die vom Kriege ver-
anlaßte Nachfrage produktive Kräfte in Tätigkeit
setzte, wurden die enormen Verluste des Krieges
nicht allein wiederersetzt, sondern der Norden
wurde auch reicher. Die Arbeitsvergeudung beim
Hin- und Hermarschieren, beim Graben von
*) Henry George, «Soziale Probleme», Deutsch
v on Stöpel, Berlin 1885, S. 70.
Laufgräben, Aufwerfen von Schanzen und Fechten
von Schlachten, die Vergeudung von Gütern, die
durch unsere Armeen und Flotten verbraucht oder
vernichtet wurden, war nicht so groß als die be
ständig vor sich gehende Vergeudung unbe
schäftigter Arbeit und stillstehender oder nur teil
weise benützter Maschinen . . . Die Lähmung,
welche zu allen Zeiten produktive Kräfte ver
schwendet und in Zeiten industriellen Druckes
mehr Verluste herbeiführt als ein großer Krieg,
entspringt aus der Schwierigkeit, welcher die
jenigen, die gern durch ihre Arbeit ihre Bedürf
nisse befriedigen würden, in diesem Bestreben
begegnen.»
Es ist natürlich unmöglich, eine so kompli
zierte Erscheinung, wie die hier angedeutete mit
wenigen Worten zu erklären, wohl aber läßt sich
andeutungsweise zeigen, wie man sich die Mög
lichkeit einer Wohlhabenheitsvergrößerung wäh
rend des Krieges überhaupt vorzustellen vermag.
Gehen wir auf unser Beispiel in Tabelle V zurück.
Wir wählen die Fälle, in denen eine ungleiche
Verteilung vorliegt, setzen aber einmal vollständige,
einmal unvollständige Verteilung voraus. Bei voll
ständiger Ausnützung aller produktiven Kräfte,
kann auf die Konsumenten nicht die volle Stück
zahl von 100 Gütermengen entfallen, weil der
Krieg einen Teil absorbiert. Auch im Falle der
unvollständigen Produktionsausnützung kann im
Kriegsfälle oder infolge von Rüstungen eine
Herabsetzung des Friedenskonsums stattfinden,
es dürfte dies auch der häufigere Fall sein, es ist
aber auch möglich, daß gleichzeitig der Kriegs
verbrauch gedeckt wird und dennoch überdies
auch der Gesamtkonsum steigt, wenn nämlich
auf irgend eine Weise die Lähmungen, welche
sonst vorhanden sind, verschwinden.
Tabelle VI zeigt uns wieder schematisch, wie
diese Veränderungen ziffernmäßig zu denken sind.
Wir sehen aus den bisherigen kurzen An
deutungen, daß die Wirkungen des Krieges auf
die Lebensverhältnisse der Bevölkerung keines
wegs gleichartig sind, sondern grundsätzlich
differieren können, je nachdem, ob im kriegfüh
renden Staat eine vollständige oder unvollständige
Ausnützung aller produktiven Kräfte stattfindet.
Es zeigt übrigens diese Betrachtung auch, wie
schwer es ist, über den Krieg ein allgemeines
Urteil zu fällen. [Daß er in manchen Fällen pro
duktive Kräfte zur Entfaltung bringt, ist wie wir
sahen nur dadurch möglich, daß es die Friedens
ordnung in unzulänglicher Weise tut. Andererseits
muß man im Auge behalten, daß man nicht ohne
weiteres über eine Verschwendung der produk
tiven Kräfte durch den Krieg klagen darf, wenn
man andererseits sieht, wie wenig im Frieden die
vorhandenen Kräfte ausgenützt werden, wie viele
Kräfte direkt zugrunde gehen, um zum Beispiel
Luxusartikel herzustellen. Jedenfalls muß man
sich davor hüten, über den Krieg und den Frieden
schlechthin abzuurteilen.