Full text: Wissenschaftlicher Sozialismus, Kommunismus, Anarchismus und Bolschewismus

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vermögen ist zu beseitigen, eine Ersparung von solchem ist also ganz aus 
geschlossen. Eine Teilung aller vorhandenen Vermögen dagegen, die früher 
ihm oft in der vulgären Bekämpfung vorgeworfen wurde, erstrebt er dagegen 
ebensowenig als die ihm gleichfalls so oft vorgehaltene, allerdings völlig 
undurchführbare Gleichstellung aller. Gar nichts zu tun hat mit diesem 
Sozialismus die Sozialdemokratie, Sie ist eine politische 
Partei, welche unter anderen politischen Forderungen die Republik für 
die beste Staatsform hält und die Herrschaft der unmittelbaren 
Demokratie durch Veranstaltung von Plebisziten, Referendum und 
Initiative anstrebt, Ihr wirtschaftliches Endziel ist freilich sozialistisch, ihr 
wissenschaftliches, wirtschaftliches Programm baut sich ganz auf dem stolzen 
Lehrgebäude des Karl Marx auf, wie wir es später noch kennen lernen 
werden. 
Jeder Sozialdemokrat ist also Sozialist, aber längst nicht jeder 
Sozialist auch Sozialdemokrat, Es gab und gibt Gelehrte, welche auf Grund 
ihrer Studien davon überzeugt sind, daß das Privateigentum an den Pro 
duktionsmitteln nicht zweckmäßig sei oder doch zufolge naturnotwendiger 
wirtschaftlicher Entwicklung dem Gemeindeeigentum weichen müsse, aber 
durchaus nicht die politischen Lehren und die ganze Weltanschauung der So 
zialdemokratie teilen. Hierher gehört u, a, insbesondere der berühmte 
Agrarpolitiker R o d b e r t u s - Jagetzow (1805 bis 1873), politisch stand er 
weit rechts. Auch unser großer deutscher Philosoph Johann Eottlieb Fichte 
(1762-^1814) vertrat in seinen Schriften „Beiträge zur,Berichtigung der Ur 
teile über die französische Revolution" (1793), „Grundlagen des Naturrechts 
nach den Prinzipien der Wissenschaftslehre" (1796) und „Der geschlossene 
Handelsstaat" (1801) was heute selbst in hochgebildeten Kreisen leider fast ganz 
unbekannt ist —< durchaus sozialistische Ansichten. Auch den berühmten Fer 
dinand L a s a l l e kann, wie wir später noch in einem besonderen Aufsatz 
nachzuweisen hoffen, schwerlich die Sozialdemokratie als einen ihrer geistigen 
Väter für sich in Anspruch nehmen, 
III. 
Der Kommunismus, den wir an dritter Stelle besprechen müssen, 
geht noch ganz erheblich weiter als der Sozialismus, Er überträgt der Ge 
samtheit der Volksgenossen das Eigentum „sogar an den verbrauchbaren 
Sachen, an den sogenannten „Konsumtibilien". Während also in der so 
zialistischen Staats- und Gesellschaftsordnung das Individuum wenigstens an 
Kleidungsstücken und Haushaltungsgegenständen sowie am Schmuck und 
Büchern ein persönliches Eigentum besitzt, läßt dieses der Kommunismus 
nicht zu. Die Gesamtheit mißt jedem einzelnen sein Maß an Nahrung, 
körperlicher wie geistiger, und Kleidung zu. Hier ist das Individuum nichts 
anderes, als der Staats- oder Gesellschaftssklave in der Totalität seiner Be 
ziehungen. Der Kommunismus verpönt sogar das Privateigentum an den 
Arbeitserzeugnissen, während der Sozialismus sich mit der Beseitigung des 
Privateigentums an den Arbeitsmitteln begnügt. Die meisten Kommunisten 
so namentlich die Franzosen Morelly, Mably, Condorcet, Labeuf und 
seine Eleichheitsverschwörung 1797, Buonarotti, Labet „Voyage en Icarie“ 
(1840, und Blanqui „Critique soziale“ verlangen sogar die völlige gleiche
	        
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