Full text: Wissenschaftlicher Sozialismus, Kommunismus, Anarchismus und Bolschewismus

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Der erste wissenschaftliche Anarchist, der dürch seine Lehren Beachtung 
und Einfluß auf die Tagesmeinungen und die Wissenschaft gewann, -war der 
als Sohn armer Bauern 1809 in Befancon geborene Pi I. Proudhon, ge 
storben 1865 in Paris. In seiner von der Akademie zu Befancon preis 
gekrönten Schrift „Ou'est cs gus la propriets?" (Was ist das Eigentum?) 
scheint er sich auf Grund der von ihm auf diese Frage erteilten Antwort 
„La propriete c’est le vol“ (das Eigentum ist der Diebstahl) als ganz er 
bitterter Gegner eines jeden menschlichen Privateigentums W bekennen. 
Aber in Wahrheit vertritt er keineswegs diesen extremen Standpunkt, viel 
mehr will er ganz im Gegenteil unter möglichst restloser Ausmerzung all 
der zahlreichen heutigen Ungerechtigkeiten der Wirtschaftsordnung mög 
lichst alle Menschen zu Privateigentümern machen. Denn der Begriff der 
sozialen Gerechtigkeit bildet für Proudhon den Ausgangspunkt und die 
Grundlage seiner gesamten Rechts- und Sozialphilosophie, nur von ihr aus 
gehend gelangt er zum Anarchismus. Man steht: seine Lehre bildet den 
denkbar schärfsten Gegensatz zum historischen Materialismus eines Karl 
Marx und Friedrich Engels, denen alle Eerechtigkeitsgedanken in ihrer So 
zialphilosophie völlig fremd sind und nur höchst abwegig erscheinen, weil 
sie eben die ganze gesellschaftliche und kulturelle Entwickelung der Mensch 
heit als von blinden, ehernen, unerbittlichen Naturgesetzen beherrscht sein 
lassen. Auf das Schärfste bekämpft ihn daher Marx in seinem „Wsere äs In 
Philosophie“ (Elend der Philosophie). Im gemünzten Gelde und im Zinse 
erblickt Proudhon die wirtschaftlichen Hauptgeiseln der Menschheit und 
den Keim alles volkswirtschaftlichen Uebels. Nach ihrer schonungslosen 
Ausrottung wird sowohl die wirtschaftliche Ausbeutung und Unfreiheit wie 
auch die politische Abhängigkeit vollkommen aufhören. Nach ihrer Beseiti 
gung könne im übrigen die freie privatwirtschaftliche Produktionsweise 
durchaus beibehalten werden, das Privateigentum könne dann von seinen 
Auswüchsen gereinigt als gerechte Grundlage der Wirtschaftsverfassung voll 
bestehen bleiben. Durch seine sogen. „Tauschbank" hoffte er diese seine beiden 
großen Ziele verwirklichen zu können. Jeder Produzent sollte bei ihr seine 
Erzeugnisse gegen Empfang eines entsprechenden Tauschbons abliefern kön 
nen und gegen Abgabe dieses Bons andere Gegenstände, deren er gerade 
bedurfte, zum gleichen Wert eintauschen. Bei der Festsetzung der Werte 
sollten lediglich die auf die Herstellung der Erzeugnisse verwandten Ar 
beitsleistungen und Auslagen ber'echnet werden, jeder Gewinn »aber weg 
fallen. Die Preise sollten durch Taxatoren der Bank kontrolliert werden. 
So würde der drückende und ungerechte Profit des Zwischenhandels ganz 
wegfallen, ebenso aber auch die Unentgeltlichkeit des Kredits erreicht wer 
den und auf diese Welse allmählich der Kapitalzins ganz in Wegfall kom 
men. „Auf diese Weise wäre jedem Produzenten ein Recht auf Absatz seiner 
Produkte und ein Recht auf Kredit garantiert; von der Tyrannei des Gel 
des und des Kapitals befreit, fei dann der Zeitpunkt für die Menschheit 
gekommen, sich auch von der Tyrannei aller Regierungsformen und aller 
Gesetze zu entledigen." (Diehl a. a. O. S. 107.) An Stelle aller Gesetze 
sollen dann freie Verträge treten. „Der Vertrag an Stelle der Herr 
schaft der Gesetze würde die wahre Regierung des Bürgers und des Men 
schen begründen, die währe Soüveränität des Volkes, die wahre Revo
	        
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