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III. Kapitalexport durch Übernahme von Diensten zu Gunsten
des Auslandes.
Zu III sind zu rechnen vor allem die grossen deutschen Schiff
fahrtsgesellschaften, die internationale Transporte übernehmen. Die
deutschen Versicherungsgesellschaften, die nicht nur eine ent
sprechende Quote ihres Reservekapitals in ausländischen Werten an-
legen, sondern auch Versicherungen im Auslande abschliessen, Trans
port-, Feuer-, Rückversicherungen, gehören ebenfalls hierher. We
niger bedeutend sind die Dienstleistungen der deutschen Tele
graphengesellschaften zu Gunsten des Auslandes. Die Dienstleistun
gen der deutschen Banken für das Ausland gehören zu II. Der Ka
pitalexport durch Dienstleistungen ist so zu verstehen, dass die
Summe der Erträge aus dem ausländischen Verkehr kapitalisiert
Vird, sei es mit 5 % oder mehr, je nach den wirtschaftlichen Verhält
nissen des betreffenden Landes, und die kapitalisierte Summe als in
den Dienst des Auslandes gestellt angesehen wird. Ein Beispiel
möge das erläutern. Broemel gab 1899 in seiner Geschichte des eng
lischen Handels den Gewinn der englischen Marine an Schiffsfrach
ten mit 1600 Millionen Mark an. Das bedeutet bei Zugrundelegung
eines Zinsfusses von 5 %i einen Wert von 32 Milliarden Mark. Für
Deutschland liegen folgende Schätzungen über den Rhedereigewinn
vor. Paul Dehn 1 ) berechnet ihn für 1902 mit 200 Millionen Mark,
nach Soetbeer 1 2 ) betrug der Bruttofrachterwerb im Jahre 1873 ca.
153 Millionen, nach Heiligenstadt 3 ) im Jahre 1892: 224,9 Millionen
Mark. Sombart 4 ) schätzte ihn 1903 auf J4 Milliarde Mark. Im
allgemeinen sind die Frachtraten für den Wassertransport bedeutend
gefallen, doch hat sich der Tonsgehalt der deutschen Handelsflotte
bedeutend vermehrt. Im Jahre 1904/5 betrug der Tonsgehalt der
Handelsflotte Englands 16580845 Brutto - Registertons, wovon
1 714318 auf Segelschiffe entfielen, während die deutsche Handels
marine 3 369 807 Tons, einschliesslich 477 938 Tons Segelschiffe
zählte. Da die Dampfschiffe den Segelschiffen gegenüber eine
schnellere und zuverlässigere Fahrzeit besitzen und einen regel-
mässigeren Verkehr gestatten, so darf man ihren Frachtdienst etwa
dreimal höher anschlagen. Jedenfalls ist die Schätzung Sombarts
sehr vorsichtig. Der Gewinn der deutschen Handelsflotte aus dem
ausländischen Verkehr dürfte sich auf 300 Millionen Mark belaufen.
Diese Summe ergibt zu 5 %> kapitalisiert, einen Wert von 6 Milliar
den, der in den Dienst des Auslandes gestellt ist.
Die deutschen Versicherungsgesellschaften entwickeln sieh ähn
lich den Schiffahrtsgesellschaften immer mehr zu internationalen In
stituten, einige, wie die Transport- und Rückversicherungsgesell-
1) Vergl. Dietzels Kolleg vom W/S. 1908/9.
2) Soetbeer, Bemerkungen über die Handelsbilanz Deutschlands, in Hirth’s Annalen,
Jahrgg. 75, S. 772.
3) Heiligenstadt, Beiträge zur Theorie der auswärtigen Wechselkurse, Jahrb. f.
Hat. und Stat. 1898, S. 359.
4) Sombart, Die deutsche Volkswirtschaft im 19. Jahrhundert (1908), S. 446.