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XIV. Der dreibeinige Stuhl.
jeder der drei Teilnehmer gleich wichtig, und jeder unter ihnen
gleich notwendig ist. Es gibt eben in diesem Falle kein erstes,
zweites und drittes — keinen Vorzug! Sie sind alle drei voll- und
gleichberechtigte Glieder des Dreibundes, welcher die industrielle
•Welt beherrscht. Geschichtlich genommen, bestand Arbeit lange
vor Kapital und geschäftlicher Tüchtigkeit in der Welt. Denn
Adam und Eva hatten kein Kapital, und nach den Ergebnissen
ihrer Arbeit zu schließen, war keiner von beiden mit besonderem
Geschäftssinn begabt, doch all das ereignete sich, bevor das Reich
des Industrialismus begann und großer Kapitalaufwand nötig ward.
In unserer Zeit sind Kapital, Geschäftstüchtigkeit und Hand
arbeit die Beine eines dreibeinigen Stuhls.. Solange die drei Beine
gesund und fest stehen, steht auch' der Stuhl fest. Sobald aber
eines dieser drei Beine schwach und gebrechlich wird, zusammen
stürzt oder gar verschwindet, bricht auch der Stuhl zusammen. Und
solange das fehlende Bein nicht wieder hergestellt ist, bleibt der
Stuhl ebenfalls unbrauchbar. Aus diesem Grunde befindet sich
auch der Kapitalist, welchem Kapital wichtiger dünkt als eines
der anderen Beine, ganz und gar im Irrtum. Die Unterstützung der
beiden anderen Beine, genannt Geschäftstüchtigkeit und Arbeit,
bleibt für ihn unumgänglich. Ohne diese beiden, ja selbst ohne
eines der beiden, fällt der Stuhl um.
„Geschäftliche Tüchtigkeit“ irrt, wenn sie glaubt, ihr Bein sei
das wichtigste. Ohne die beiden anderen, Kapital und Arbeit, ist
das Bein „Geschäftstüchtigkeit“ nutzlos.
Zu guter Letzt wollen wir nicht vergessen, daß auch Arbeit
irrt, und zwar sehr stark, wenn sie größere Wichtigkeit für sich
beansprucht, als jedes der beiden anderen Beine. Eine solche
Anschauung ist oft genug die Quelle betrübender Mißverständnisse
gewesen. ' j j
Alle drei sind voll- und gleichberechtigte Glieder desselben
großen Ganzen. Vereinzelt schaffen sie wenig, vereint aber können
sie Wunder wirken. Daher haben sie auch, trotzdem unglückliche
Differenzen zeitweise zwischen ihnen auftauchten, das neue Jahr
hundert zum wohltätigsten für die Menschheit gemacht.
Die Menschheit bietet heute überall, sowohl materiell wie
sittlich genommen, «in besseres Bild denn jemals in früheren