Full text: Kaufmanns Herrschgewalt

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V. Sparen eine Pflicht. 
anderen abhängt. Derjenige, der abhängig ist, hat nicht die volle 
Höhe der Männlichkeit erreicht und kann kaum unter die wür 
digen Staatsbürger gezählt werden. Sicherheit und Fortschritt eines 
Landes hängt weder von den Hochgebildeten, noch von den 
Millionären, noch von der größeren Zahl der Armen ab', sondern 
von der Zahl der nüchternen, intelligenten, fleißigen und spar 
samen Arbeiter, die weder sehr arm, noch sehr reich sind. 
Die Pflicht des Sparens hat aber auch ihre Grenzen. 
Gewöhnlich ist der sparsame Mann auch ein guter Gatte, ein 
trefflicher Vater und ein friedlicher, den Gesetzen gehorsamer 
Bürger. Die Ersparnisse brauchen auch nicht gerade groß zu 
sein. Es ist überraschend, mit wie wenig Geld man die nötigen 
Lebensbedürfnisse zu bestreiten vermag. Eine kleine schulden 
lose Häuslichkeit und wenige hundert Pfund, ganz wenige — 
das ist alles, was dazu nötig ist. Beides ist von sparsamen 
Leuten schneller erworben, als man denkt. Großer Reichtum ist 
etwas ganz anderes und viel weniger wünschenswert. Weder 
der Zweck des Sparens noch die Pflicht des Menschen besteht 
darin, Millionen zu erwerben. Es ist ganz und gar keine Tugend, 
dergleichen als Endzweck aufzustellen, vielmehr endet die Pflicht 
des Sparens, sobald wir die, welche von uns abhängen, anständig 
versorgt haben. Millionen zusammenzuscharren ist nicht Spar 
samkeit, sondern Geiz. Allerdings bleibt es unter den bestehen 
den industriellen Verhältnissen unvermeidlich, daß wenige, sehr 
wenige weit über ihre Verhältnisse hinaus Geld machen. Die 
Anhäufung von Millionen ist gewöhnlich das Ergebnis von Unter 
nehmungsgeist, richtigem Urteil und außerordentlicher Organisa 
tionsfähigkeit. Es ist kein Ergebnis gewöhnlichen Sparens. Leute, 
welche im Alter nur darauf ausgehen, ihr schon großes Vermögen 
noch zu vermehren, sind gewöhnlich Sklaven ihres schon in jungen 
Jahren hervortretenden Geizes. Zu allererst sind sie die Herren 
des Geldes, welches sie erworben und erspart haben, später wird 
das Geld ihr Herr; sie können nicht mehr anders; so über 
mächtig ist die Macht der Gewohnheit, im Guten wie im Bösen. 
Mißbrauch, nicht rechter Gebrauch' des Spartriebes, bringt diese 
Klasse von Leuten hervor. 
Nie wird jemand solchem Sparmißbrauch zum Opfer fallen,
	        
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