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Vernichtung droht. Unser kleiner Freistaat hat sich eine riesige
Zinsenlast aufgebürdet, seine Häfen bieten den anlaufenden Schiffen
alle möglichen Erleichterungen, und eifersüchtig wacht man darüber,
die Lösch- und Ladeeinrichtungen auf das vollkommenste auszu-
4 bilden und auf der Höhe der modernsten Technik zu halten. In
dieser Hinsicht hat man es an nichts fehlen lassen. Was aber
fehlt, das ist eben ein genügender Warenverkehr. Nur er vermag
den toten Einrichtungen Leben und Gesundheit einzuhauchen.
Nur wenn die Verkehrseinrichtungen ausgenutzt werden, erfüllen
sie ihren Zweck und helfen die Lasten des Staates erleichtern,
während -sie ihn andernfalls erdrücken. Und je größer der Verkehr
ist, desto niedriger können die Abgaben bemessen werden, desto
mehr Anreiz ist da für einen neuen Verkehr. Der diesen Verkehr
aber schaffen muß, ist der Kaufmann.
Daß Bremen besonders im letzten Jahrzehnt mit seiner natür
lichen und stärksten Gegnerin, Hamburg, nicht gleichen Schritt
zu halten vermochte, dafür sind genug Beweise angeführt. Da
an dem Vergangenen aber nichts mehr zn ändern ist, da Hamburg
nun einmal diese erdrückende Übermacht erlangt hat und seinen
Vorsprung noch mit Riesenschritten vergrößert, ist die Gefahr
vorhanden, daß Bremen immer mehr und immer schneller ins
Hintertreffen gerät. Denn je mehr ein Handelsplatz aufblüht, mit
um so größerer, gleichsam magnetischer Kraft zieht er Handel
und Wandel an, macht er sich ein stets weiter sich ausdehnendes
LIinterland wirtschaftlich untertan. In ihm vereinigen sich wie in
einem Brennpunkte alle Strahlen, Nähe und weltweite Ferne be
gegnen sich in ihm und finden Berührungspunkte, die sie in abseits
liegenden Städten nicht finden können. Bremens Stellung als
Welthandelsstadt, ja sogar als deutsche Großstadt ist also ernstlich
bedroht. Geht die Entwicklung in derselben Art und in demselben
Fluß vonstatten wie seit zwanzig Jahren, so werden schon unsere
Söhne nicht mehr Bürger einer Stadt sein, die mit berechtigtem
Stolze ihre Flagge in den fernsten Fläfen zeigt. Wie einst Lübecks
und Brügges Macht verschwand, nur schneller, so wird dann auch
Bremens Bedeutung zusammengeschmolzen sein.
4 Es ist eine unbestreitbare Tatsache, daß der Kaufmannshandel
verhältnismäßig zurückgeht. Immer mehr wird er in seinen Be
wegungsgrenzen eingeengt, immer mehr sucht man ihn zu über
gehen. Bei den großen, trustartigen Unternehmerverbänden, die
selbst den Kleinverschleiß in ihre Hand zu nehmen trachten, bei
den Binnenlandsfabriken, die auf direkten Einkauf der von ihnen