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Ausgangspunkte.
zulängliche Versorgung mit Rohstoffen und Lebensmitteln ist zum Haupt
hindernis für die Aufrechterhaltung militärischer Erfolge geworden. Kann
auch der Wirtschaftskrieg durch Aushungerung wegen seiner
Inhumanität kaum über den Vorfrieden hinaus aufrecht erhalten werden,
so wird doch die Vorenthaltung der Rohstoffe für eine Übergangszeit und
die verschiedene Behandlung Deutschlands und Österreichs auch für die
Zeit des wirtschaftlichen Wiederaufbaues noch aufrecht erhalten werden,
Bo wird selbst von grundsätzlichen Gegnern der Möglichkeit eines Wirt
schaftskrieges doch die Möglichkeit einer Verweigerung von Roh^
stoffen für die Zeit der Übergangswirtschaft zugegeben (Harm s,
Sicherungen 63). In der Tat ist die einseitige Fortdauer des Wirt
schaftskrieges zu Gunsten der Wiedergutmachung der alliierten und
assoziierten Schäden in den Friedensschlüssen festgelegt worden.
Ist es ausgeschlossen, daß die Autarkie selbst für die größten ge
schlossenen Wirtschaftsgebiete, wie den englischen, russischen und ameri
kanischen Bereich wirklich erreicht werde, und muß auch die „geschlos
sene Volkswirtschaft“ als utopisch erkannt werden, so ist es der Über
spannung des Nationalgefühls der bisher „unterdrückten“ Völker doch
zuzumuten, daß die Absperrung im politischen Kampfe weiterhin ver
wendet werden wird. Die gegenseitige Absperrung der auf dem Gebiete
der ehemaligen österreichisch-ungarischen Monarchie entstandenen Natio
nalstaaten ist bereits zur Tatsache geworden.
So ergibt sich, daß das freie Spiel der wirtschaftlichen Kräfte allein
den wirtschaftlichen Frieden nicht herbeiführt. Verstehen wir unter dem
Wirtschaftsfrieden ein von wirtschaftlicher Gewalt freies
Verhältnis der Volkswirtschaften zueinander, so kann er nur auf dem
Wege einer rechtlichen Ordnung der weltwirtschaftlichen Beziehungen
der Völker schrittweise verwirklicht werden.
Wir haben bei der Darstellung der Beendigung des Wirtschafts
kampfes gesehen, daß sowohl die für den Sieg des Vierbundes in Aussicht
genommene, wie die infolge des Sieges der Alliierten erfolgte Regelung
einen dauernden Wirtschaftsfrieden nicht verbürgt. Die Handels- und
Verkehrsfreiheit und die Meistbegünstigung, die in den Friedensschlüssen
der Mittelmächte mit Rußland, Ukraine, Finnland und Rumänien von 1918
vereinbart wurde, würde an sich nicht ausreichen, um die nationale Wirt
schaftspolitik zu befriedigen. Von den wechselseitigen Ausnahmen der
Gleichstellung in diesen Friedensschlüssen und von der wirtschaftlichen
Bindung Rumäniens war bereits die Rede. Wir haben ferner gesehen,
daß gerade die ewige Meistbegünstigung Deutschlands nach dem
Frankfurter Frieden von Frankreich geradezu als ein Hemmnis seiner
wirtschaftlichen Verteidigung gegen die deutsche Expansion auf seinen
eigenen Märkten betrachtet wurde; ebenso wurde die Erneuerung des
deutsch-russischen Handelsvertrages von 1894 während der ostasiatischen